Produktbeschreibung
Weil es für Hesse keinen Fortschritt gibt ohne die Verwirklichung von Utopien, hat er inmitten von Chaos und Anarchie mit der Pädagogischen Provinz Kastalien das Modell eines an Ordnung, Vernunft und Maß orientierten Bildungssystems entworfen. Die in Kastalien entwickelte und praktizierte Technik des Glasperlenspiels zielt darüber hinaus auf eine interdisziplinäre Vernetzung von Kunst und Wissenschaft. Mathematik und Musik und die durch fortschreitende Spezialisierung auseinanderdriftenden Disziplinen der Geistes- und Naturwissenschaften können mit Hilfe der universellen Zeichensprache des Glasperlenspiels wieder verbunden und ihrer gemeinsamen Struktur bewußt werden. Diese so aktuelle wie zukunftsorientierte Synopse von abendländischer und asiatischer Geistesgeschichte, aktiver und kontemplativer Lebenspraxis verliert ihren utopischen Charakter am Beispiel der Biographie von Josef Knecht, der die Pädagogische Provinz in dem Augenblick verläßt, sobald sie wie jede Institution in Bürokratie, Orthodoxie und unsozialem Selbstzweck zu erstarren droht.
Leseprobe
Die Berufung über Josef Knechts Herkunft ist uns nichts bekannt
geworden. Gleich vielen anderen Eliteschülern hat er entweder
seine Eltern früh verloren oder ist von der Erziehungsbehörde
aus ungünstigen Verhältnissen losgelöst und adoptiert
worden. In jedem Falle ist ihm der Konflikt zwischen Eliteschule
und Elternhaus erspart geblieben, der manchem anderen von seiner
Art die Jugendjahre belastet und den Eintritt in den Orden erschwert
hat und der in manchen Fällen hochbegabte junge Menschen
zu schwierigen und problematischen Charakteren macht. Knecht
gehört zu den Glücklichen, welche recht eigentlich für
Kastalien, für den Orden und für den Dienst in der Erziehungsbehörde
geboren und vorbestimmt scheinen; und wenn ihm auch die Problematik
des geistigen Lebens keineswegs unbekannt geblieben ist, so war
es ihm doch gegeben, die jedem geistgeweihten Leben eingeborene
Tragik ohne persönliche Bitterkeit zu erleben. Es ist wohl
auch nicht so sehr diese Tragik selbst, welche uns verlockt hat,
der Persönlichkeit Josef Knechts unsre eingehende Betrachtung
zu widmen; es ist vielmehr die stille, heitere, ja strahlende
Art, mit welcher er sein Schicksal, seine Begabung, seine Bestimmung
verwirklichte.
Autoreninfo
Hesse, HermannHermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.