Produktbeschreibung
"Hesses Roman "Narziß und Goldmund" setzt mit großer sprachlicher Schönheit ein und scheint in einer mittelalterlichen Zeitlosigkeit zu schweben, die dem poetischen Bedürfnis dieser rohen Aktualität widerstrebenden Geistes entspricht, ohne darum seine schmerzliche Fühlung mit den Problemen der Gegenwart zu leugnen.... ein wunderschönes Buch mit seiner Mischung aus deutsch-romantischen und modern-psychologischen, ja psychoanalytischen Elementen....eine in ihrer Reinheit und Interessantheit durchaus einzigartige Romandichtung." (Thomas Mann)
Kritik
¯... eine Erzählung voller Kraft und Faszination. Denn auch wenn Narziß und Goldmund voller Gegensätze und gegensätzlicher Lebensvorstellungen sind, sind sie doch eins: Das Leben in allen Facetten.® Jutta Ladwig literaturkritik
Leseprobe
Vor dem von Doppelsäulen getragenen Rundbogen des Klostereinganges
von Mariabronn, dicht am Wege, stand ein Kastanienbaum, ein vereinzelter
Sohn des Südens, von einem Rompilger vor Zeiten mitgebracht,
eine Edelkastanie mit starkem Stamm; zärtlich hing ihre runde
Krone über den Weg, atmete breitbrüstig im Winde, ließ
im Frühling, wenn alles ringsum schon grün war und selbst
die Klosternußbäume schon ihr rötliches Junglaub
trugen, noch lange auf ihre Blätter warten, trieb dann um
die Zeit der kürzesten Nächte aus den Blattbüscheln
die matten, weißgrünen Strahlen ihrer fremdartigen
Blüten empor, die so mahnend und beklemmend herbkräftig
rochen, und ließ im Oktober, wenn das Obst und Wein schon
geerntet war, aus der gilbenden Krone im Herbstwind die stacheligen
Früchte fallen, die nicht in jedem Jahr reif wurden, um welche
die Klosterbuben sich balgten und die der aus dem Welschlauch
stammende Subprior Gregor in seiner Stube im Kaminfeuer briet.
Fremd und zärtlich ließ der schöne Baum seine
Krone überm Eingang zum Kloster wehen, ein zartgesinnter
und leicht fröstelnder Gast aus einer anderen Zone, verwandt
in geheimer Verwandtschaft mit den schlanken, sandsteinernen Doppelsäulchen
des Portals und dem steinernen Schmuckwerk der Fensterbogen, Gesimse
und Pfeiler, geliebt von den Welschen und Lateinern, von den Einheimischen
als Fremdling begafft.
Unter dem ausländischen Baume waren schon manche Generationen
von Klosterschülern vorübergegangen; ihre Schreibtafeln
unterm Arm, schwatzend, lachend, spielend, streitend, je nach
Jahreszeit barfuß oder beschuht, eine Blume im Mund, eine
Nuß zwischen den Zähnen oder einen Schneeball in der
Hand.
Autoreninfo
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.