Produktbeschreibung
Was die Ehe des Malers Johann und seiner Frau, der Pianistin Adele Veraguth, noch zusammenhält, ist die Liebe zu ihrem jüngsten Sohn Pierre, sonst leben die beiden getrennt, innerlich wie räumlich, der Maler in seinem Atelier, Adele im Wohngebäude der Roßhalde. Ihre Gemeinsamkeiten sind erschöpft, und die Einsamkeit hat sie verhärtet und wortkarg gemacht. Der plötzlichen Erkrankung des geliebten Sohnes stehen die Eheleute fassungslos gegenüber.
Zusammenfassung
Dieser 1912-1913 entstandene Roman schildert die Geschichte einer
sich auflösenden Künstlerehe. »Die unglückliche
Ehe, von der das Buch handelt«, schrieb Hesse 1914 an seinen
Vater, »beruht gar nicht auf einer falschen Wahl, sondern
tiefer ... auf der Frage, ob überhaupt ein Künstler
oder Denker, ein Mann, der das Leben nicht nur instinktiv leben,
sondern vor allem möglichst objektiv betrachten und darstellen
will - ob so einer überhaupt zur Ehe fähig sei.«
1914, unmittelbar nach Erscheinen der Erstausgabe, schrieb Theodor
Heuss in der Kulturzeitschrift »März«: »Wenn
je Dichten Gerichtstag halten heißt über sich selbst,
dann hier, wo das Werk übertragenes Menschentum ist ... Welcher
Weg vom Lauscher, vom Camenzind, vom glücklichen
Überschwang zechender und verliebter Jugend zu dieser gefestigten
Männlichkeit! ... Roßhalde ist eine Ehegeschichte,
freilich nur das Ende einer Ehe.«
Was die Beziehung des Malers Johann und seiner Frau, der Pianistin
Adele Veraguth, noch zusammenhält, ist die Liebe zu ihrem
jüngsten Sohn Pierre, der jedoch unversehens an einer Gehirnhautentzündung
erkrankt. Der Verlauf dieser Krankheit ist auf unvergeßliche
Weise geschildert und auch der Tod des kleinen Pierre, den Ernst
Weiß in seiner Rezension der »Roßhalde«
als einen »fernen Bruder des Tadzio in Thomas Manns "Tod
in Venedig"« bezeichnet hat. Weiter heißt es in
dieser Besprechung: »Hesse ist nicht Dramatiker, nie tritt
etwas auch nur im geringsten aus der ruhigen Ebene seiner meisterhaften
Erzählung. Hier liegt der schönste Vorzug dieses in
seiner Art klassischen Gedichtes in Prosa. Mit welcher überlegenen
Meisterschaft fügt sich Wort an Wort, wie wundervoll wächst
das Zwiegespräch aus der ruhigen Satzfolge hervor. Hier hat
Hesse von niemanden gelernt. Oder vielleicht von den namenlosen
Erzählern seiner schwäbischen Heimat, von Mädchen,
die abends am Brunnen plaudern, von Großmüttern, die
ihren Enkeln erzählen.«
Leseprobe
Als vor zehn Jahren Johann Veraguth Roßhalde gekauft und
bezogen hatte, war sie ein verwahrlosten alter Herrensitz mit
zugewachsenen Gartenwegen, vermoosten Bänken, brüchigen
Treppenstufen und undurchdringlich verwildertem Park gewesen,
und es standen damals auf dem wohl acht Morgen großen Grundstück
keine anderen Gebäude als das schöne, etwas verkommene
Herrenhaus mit dem Stall und ein kleines tempelartiges Lusthäuschen
im Park, dessen Portal schief in verbogenen Angeln hing, und an
dessen einst mit blauer Seide tapezierten Wänden Moos und
Schimmel wuchs.
Sofort nach dem Kauf des Gutes hatte der neue Besitzer das baufällige
Tempelchen niedergerissen und nur die zehn alten Steinstufen stehen
lassen, die von der Schwelle dieses Liebeswinkels an den Rand
des Weihers hinabführten. An Stelle des Parkhäuschens
wurde damals Veraguths Atelier erbaut, und sieben Jahre lang hatte
er hier gemalt und den größeren Teil seiner Tage zugebracht,
seine Wohnung aber drüben im Herrenhaus gehabt, bis die zunehmenden
Zerwürfnisse in seiner Familie ihn dazu gebracht hatten,
seinen älteren Sohn zu entfernen und auf auswärtige
Studien zu schicken, das Herrenhaus der Frau und Dienerschaft
zu überlassen und -für seinen eigenen Bedarf zwei Zimmer
an das Atelier anzubauen, wo er nun seither wie ein Junggeselle
wohnte. Es war schade um das schöne herrschaftliche Haus;
Frau Veraguth brauchte mit dem siebenjährigen Pierre nur
das obere Geschoß, sie empfing wohl Besuche und Gäste,
aber niemals größere Gesellschaft, und so stand eine
Reihe von Räumen jahraus, jahrein leer. ...
Autoreninfo
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.