Produktbeschreibung
»Tynset« - das ist der magische Pol eines exzessiven Monologs, in dem ein Ich-Erzähler in einer langen schlaflosen Nacht das Inventar seines Lebens und seines Bewußtseins ausbreitet. Wortreiche Bekenntnisse, akribische Selbstbeobachtung, quälende Erinnerungen und auswuchernde Halluzinationen ordnen sich zueinander in einer kunstvollen Komposition. Walter Jens empfiehlt Tynset als ein Buch, »das wir getrost den nach uns Kommenden vorzeigen können, weil es mehr als andere Bücher von unserem Bewußtsein und unserer Einsamkeit, von unseren Zwiesprachen mit der Geschichte, unserer Hoffnung und unserer Todesangst sagt«.
Zusammenfassung
Tynset - das ist der magische Pol eines exzessiven Monologs,
in dem ein Ich-Erzähler in einer langen schlaflosen Nacht
das Inventar seines Lebens und seines Bewußtseins ausbreitet.
Wortreiche Bekenntnisse, akribische Selbstbeobachtung, quälende
Erinnerungen und auswuchernde Halluzinationen ordnen sich zueinander
in einer kunstvollen Komposition. Walter Jens empfiehlt
Tynset als ein Buch, »das wir getrost den nach uns Kommenden
vorzeigen können, weil es mehr als andere Bücher von
unserem Bewußtsein und unserer Einsamkeit, von unseren Zwiesprachen
mit der Geschichte, unserer Hoffnung und unserer Todesangst sagt«.
Leseprobe
Ich liege im Bett, in meinem Winterbett.
Es ist Schlafenszeit. Aber wann wäre es das nicht? Es ist
still, beinah still. Nachts weht hier meist ein Wind, und es
krähen ein oder zwei Hähne. Aber jetzt weht kein Wind,
und es kräht kein Hahn, noch nicht. Dafür knackt es
hin und wieder im Holz der Täfelung meiner Wände, irgendwo
spaltet sich eine Füllung, wirft sich und löst sich
schrumpfend aus dem Rahmen, uralter Leim bröckelt in Perlen
ab oder rieselt als Mehl, oder ein Riß huscht entlang einem
Balken der Zimmerdecke, von einer Ecke bis tief in die andere,
und darüber hinaus, durch die hölzerne Wand, weiter
dem Balken entlang, in das nächste Zimmer, das leere Zimmer,
wo er versickert und verklingt.
Man sagt: »Holz arbeitet«, was zu bedeuten hat, daß
es an Substanz verliert, daß die hölzernen Körper
kleiner werden, immer kleiner. Man merkt es erst nach vielen
Jahren, und nach diesen vielen Jahren fragt man sich, frage ich
mich, wohin das fehlende Gewicht entschwebt, wo diese Substanz
eigentlich hingekommen ist.
Autoreninfo
Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren und verlebte seine Kindheit in Hamburg, Berlin, Cleve, Njimegen und Mannheim. Nach der Machtergreifung Hitlers musste er 1933 mit seinen Eltern über England nach Palästina emigrieren. In Israel absolvierte er von 1934 bis 1937 eine Tischlerlehre und wurde in Möbeldesign und Innenarchitektur unterrichtet. Zwischen 1937 und 1939 studierte Hildesheimer in London Malerei und Bühnenbildnerei an der Central School of Arts and Crafts. Während dieser Zeit hielt er sich auch in Cornwall auf (Zeiten in Cornwall, 1971); nach seiner Rückkehr nach Palästina 1939 war er bis 1942 als Englischlehrer am British Council in Tel Aviv und bis 1946 als Informationsoffizier in Jerusalem tätig. Bei den Nürnberger Prozessen arbeitete Hildesheimer als Simultandolmetscher (1946-1949), nach 1948 als Redakteur ihrer gesamten Protokolle. Danach zog er sich für vier Jahre an den Starnberger See zurück, wo er zu schreiben an