Produktbeschreibung
Mit ihren unter dem Titel >Ferngespräche< gesammelten Erzählungen, die hier als Neuauflage erscheinen, trat Marie Luise Kaschnitz 1966 in den Insel Verlag ein. Die Menschen, von denen Marie Luise Kaschnitz hier erzählt, finden sich scheinbar mühelos in dem ihnen zugewiesenen Leben zurecht, sie tun, was von ihnen verlangt wird, nicht weniger und nicht mehr, bis eines Tages das Unvorhergesehene geschieht und sie aus der gewohnten Bahn wirft - ob sie es wahrhaben wollen oder vor sich selber verbergen, Unschuld oder Lebenslüge mit der verzweifelten Kaft von Verurteilten niederzureden versuchen. Wie individuell die Personen auch gezeichnet sind - sie sind beispeilhaft noch für die Menschen von heute. Nicht die Außenseiter der Gesellschaft werden beschrieben, nicht die Erniedrigten und Beleidigten, sondern die sanft Gestrandeten, hier und jetzt, alle in einem Alltag lebend, der scheinbar glatt funktioniert, plötzlich aber, in einer Geste, einem Wort, im Zufall einer Begegnung, den Blick ins Unheimliche freigibt, in einen Bereich, von dem aus gesehen alles bisher Gelebte fragwürdig wird. Damit und von hier aus ist das Leben neu zu entwerfen. Marcel Reich-Ranicki schrieb zur Erstausgabe des Bandes: »So vereint der Band >Ferngespräche< Geschichten, deren Atmosphäre in der deutschen Gegenwartsliteratur einmalig ist: Schwermut ohne Verbitterung, Mitleid ohne Wehmut, Trauer ohne Zorn, Schmerz ohne Haß. Und zugleich: Leichtigkeit und Heiterkeit ohne Verharmlosung dessen, was um uns geschah und geschieht ... Auch diese Erzählungen sind leise, auch ihnen fehlt es weder an Wärme noch an Herzlichkeit. Es ist nicht Sache der Marie Luise Kaschnitz, anzuklagen oder zu attackieren. Ihre Aufgabe ist es, ihr Erbarmen mit der Kreatur in Bildern und Handlungen auszudrücken.«
Zusammenfassung
Mit ihren unter dem Titel Ferngespräche gesammelten
Erzählungen, die hier als Neuauflage erscheinen, trat Marie
Luise Kaschnitz 1966 in den Insel Verlag ein. Die Menschen, von
denen Marie Luise Kaschnitz hier erzählt, finden sich scheinbar
mühelos in dem ihnen zugewiesenen Leben zurecht, sie tun,
was von ihnen verlangt wird, nicht weniger und nicht mehr, bis
eines Tages das Unvorhergesehene geschieht und sie aus der gewohnten
Bahn wirft - ob sie es wahrhaben wollen oder vor sich selber verbergen,
Unschuld oder Lebenslüge mit der verzweifelten Kraft von
Verurteilten niederzureden versuchen. Wie individuell die Personen
auch gezeichnet sind - sie sind beispielhaft noch für die
Menschen von heute. Nicht die Außenseiter der Gesellschaft
werden beschrieben, nicht die Erniedrigten und Beleidigten, sondern
die sanft Gestrandeten, hier und jetzt, alle in einem Alltag lebend,
der scheinbar glatt funktioniert, plötzlich aber, in einer
Geste, einem Wort, im Zufall einer Begegnung, den Blick ins Unheimliche
freigibt, in einen Bereich, von dem aus gesehen alles bisher Gelebte
fragwürdig wird. Damit und von hier aus ist das Leben neu
zu entwerfen.
Marcel Reich-Ranicki schrieb zur Erstausgabe des Bandes:
»So vereint der Band Ferngespräche Geschichten, deren
Atmosphäre in der deutschen Gegenwartsliteratur einmalig
ist: Schwermut ohne Verbitterung, Mitleid ohne Wehmut, Trauer
ohne Zorn, Schmerz ohne Haß. Und zugleich: Leichtigkeit
und Heiterkeit ohne Verharmlosung dessen, was um uns geschah und
geschieht...Auch diese Erzählungen sind leise, auch ihnen
fehlt es weder an Wärme noch an Herzlichkeit. Es ist nicht
Sache der Marie Luise Kaschnitz, anzuklagen oder zu attackieren.
Ihre Aufgabe ist es, ihr Erbarmen mit der Kreatur in Bildern
und Handlungen auszudrücken.«
Leseprobe
Ein Tamburin, ein Pferd
Ein Haus am Waldrand, eine Art Villa, nicht großartig und
auch nicht ärmlich, ein Stockwerk und ein paar Mansardenzimmer,
mit schiefen Wänden, in einem der Mansardenzimmerchen schläft
das Kind und ein Hampelmann hängt über seinem Bett.
Er hängt frei, hat ein Schnürchen zwischen den Beinen,
an dem zieht das Kind vor dem Schlafen, ein wenig Licht fällt
da noch ins Zimmer, und der Hampelmann zieht die Beine in den
geringelten Höschen so hoch er kann. Das Kind ist elf Jahre
alt, eine zufriedene Waise, die gern in die Schule geht, gern
der Pflegemutter im Hause hilft, gern mit dem Pflegevater an der
Strecke entlang geht, wo der alte Eisenbahner jede Minute Verspätung
registriert. Die meiste Zeit ist Krieg, Truppentransporte und
Gefangenentransporte rollen durch das Birkenwäldchen und,
auf einem niederen Damm, durch das Moor. So nah der Grenze liegt
das Städtchen nicht, daß die Einwohner evakuiert werden,
es wird dort auch nicht geschossen, nur eines Tages kommen die
fremden Soldaten und quartieren sich überall ein.
Schon ein paar Tage vorher hat das Kind die Pflegeeltern aufgeregt
flüstern hören, wir sind alt und das Kind ist ein Kind,
wir geben ihnen alles, was wir haben, es kann uns nichts geschehen.
Das Kind weiß nicht, was ihm geschehen soll, Soldaten haben
zu essen und geben zu essen, einer hat ihm sogar einmal Schokolade
geschenkt.
Autoreninfo
Marie Luise Kaschnitz wurde am 31. Januar 1901 als Tochter eines Offiziers in Karlsruhe geboren und wuchs in Potsdam und Berlin auf.
Nach einer Buchhandelslehre in Weimar und München war sie in einem Antiquariat in Rom tätig. Für ihre literarischen Werke wurde sie mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, u.a. 1955 mit dem Georg-Büchner-Preis. Sie starb am 10. Oktober 1974 in Rom.