Produktbeschreibung
Heinrich von Kleist greift in seinem 1807 veröffentlichten, aber erst 1899 uraufgeführten Lustspiel 'Amphitryon' einen beliebten Stoff aus der griechischen Mythologie auf: Göttervater Zeus (bei Kleist: Jupiter) wohnt während der Abwesenheit des Feldherrn Amphitryon dessen Gattin Alkmene bei und zeugt mit ihr den Halbgott Herakles. Die Probleme des Fürstenpaares werden in der Parallelhandlung um den Götterbooten Merkur, Amphitryons Diener Sosias und dessen Frau Charis ironisierend gespiegelt. Liegt in Molières 'Amphitryon' (1668), Kleists Vorlage ("Ein Lustspiel nach Molière"), der Schwerpunkt auf der Rivalität zwischen Liebhaber und Ehemann, so wird bei Kleist das Spiel zu einem Kampf um Bewusstsein, Identität und Entfremdung.
Text in neuer Rechtschreibung. - Mit Anmerkungen und einem Nachwort von Helmut Bachmaier.
Inhaltsverzeichnis
AmphitryonAnmerkungenNachwort
Leseprobe
Erster Akt
Es ist Nacht. Erste Szene
SOSIAS (tritt mit einer Laterne auf).
Heda! Wer schleicht da? Holla! - Wenn der Tag
Anbräche, wär mirs lieb; die Nacht ist - Was?
Gut Freund, ihr Herrn! Wir gehen eine Straße
Ihr habt den ehrlichsten Gesell'n getroffen,
Bei meiner Treu, auf den die Sonne scheint
Vielmehr der Mond jetzt, wollt ich sagen
Spitzbuben sinds entweder, feige Schufte,
Die nicht das Herz, mich anzugreifen, haben:
Oder der Wind hat durch das Laub gerasselt.
Jedweder Schall hier heult in dem Gebirge.
Vorsichtig! Langsam! - Aber wenn ich jetzt
Nicht bald mit meinem Hut an Theben stoße,
So will ich in den finstern Orkus fahren.
Ei, hols der Henker! ob ich mutig bin,
Ein Mann von Herz; das hatte mein Gebieter
Auf anderm Wege auch erproben können.
Ruhm krönt ihn, spricht die ganze Welt, und Ehre,
Doch in der Mitternacht mich fortzuschicken,
Ist nicht viel besser, als ein schlechter Streich.
Ein wenig Rücksicht wär, und Nächstenliebe,
So lieb mir, als der Keil von Tugenden,
Mit welchem er des Feindes Reihen sprengt.
Sosias, sprach er, rüste dich mein Diener,
Du sollst in Theben meinen Sieg verkünden
Und meine zärtliche Gebieterin
Von meiner nahen Ankunft unterrichten.
Doch hätte das nicht Zeit gehabt bis morgen,
Will ich ein Pferd sein, ein gesatteltes!
Autoreninfo
Heinrich von Kleist wurde am 18. Oktober 1777 in Frankfurt/Oder geboren. Er schlug zunächst die Offizierslaufbahn ein, begann später sein Studium der Rechtswissenschaften und unternahm Reisen durch Frankreich und die Schweiz. In Dresden gründete er 1808 die Zeitschrift "Phöbus", in der einige seiner Dramen und Erzählungen erschienen. Am 21. November 1811 nahm er sich am Wannsee bei Berlin das Leben.