Produktbeschreibung
Die drei letzten Erzählungen Thomas Manns sind zwischen 1940 und 1953 entstanden, in den Jahren also, als er an seinen großen Romanen ¿Joseph und seine Brüder¿, ¿Doktor Faustus¿, ¿Der Erwählte¿ und ¿Felix Krull¿ gearbeitet hat. Die Schauplätze dieser Erzählungen sind sehr unterschiedlich: Indien in den ¿Vertauschten Köpfen¿ (1940), Ägypten und der Berg Sinai in der Mosesgeschichte ¿Das Gesetz¿ (1943/44) und Deutschland in ¿Die Betrogene¿ (1953). Und entsprechend gegensätzlich sind auch die Themen. Auf die »Geschichte von der schönhüftigen Sita und ihren beiden Gatten« folgt die Mosesgeschichte ¿Das Gesetz¿, die Franz Werfel als ein »Vorspiel auf der Orgel« bezeichnet hat, und schließlich ¿Die Betrogene¿ als »Tod in Düsseldorf« eine Art »Gegenschöpfung« zum ¿Tod in Venedig¿.
Zusammenfassung
»Die lyrische Sphäre sollte mir so wenig zur künstlerischen
Heimat werden wie die dramatische.« Mit dramatischen Versuchen
und Gedichten hatte Thomas Mann seine literarischen Fingerübungen
gemacht, bis er, etwa zwanzigjährig, die Prosa als seine
eigentliche Sprachform entdeckte. Skizzen entstanden, Studien,
die Lust, Erfahrenes und Erlebtes zu berichten, wuchs, entwickelte
sich zur Erzählung - Ambiente und Ereignisse, Charaktere
und Handlungen griffen ineinander. Beschreibung und direkte Rede
forderten klare Diktion, der Wortlaut verband sich dem Satzbau.
Weder Rhythmus und Klang noch Dialog gab er auf - Thomas Mann
hat sie früh schon für seine Prosa genutzt.
Die Schauplätze der letzten drei Erzählungen, die Thomas
Mann zwischen 1940 und 1953, zwischen der Arbeit an Joseph
und seine Brüder, Doktor Faustus, Der Erwählte
und Felix Krull geschrieben hat, sind sehr unterschiedlich:
Indien in den Vertauschten Köpfen, Ägypten und
der Berg Sinai in der Mosesgeschichte, Das Gesetz und Deutschland
in Die Betrogene. Und entsprechend gegensätzlich
sind auch die Themen. Auf die »Geschichte von der schönhüftigen
Sita und ihrer beiden Gatten« folgt die Mosesgeschichte Das
Gesetz, die Franz Werfel als ein »Vorspiel auf der Orgel«
bezeichnet hatte, und schließlich Die Betrogene als
»Tod in Düsseldorf« eine Art »Gegenschöpfung«
zum Tod in Venedig.
Inhaltsverzeichnis
Die vertauschten Köpfe - Das Gesetz - Die Betrogene
Leseprobe
Die vertauschten Köpfe
Eine indische Legende
Die Geschichte der schönhüftigen Sita, Tochter des aus
Kriegerblut stammenden Kuhzüchters Sumantra, und ihrer beiden
Gatten (wenn man so sagen darf) stellt, blutig und sinnverwirrend
wie sie ist, die höchsten Anforderungen an die Seelenstärke
des Lauschenden und an sein Vermögen, den grausamen Gaukeleien
der Maya des Geistes Spitze zu bieten. Es wäre zu wünschen,
daß die Zuhörer sich an der Festigkeit des Überliefernden
ein Beispiel nähmen, denn fast mehr Mut noch gehört
dazu, eine solche Geschichte zu erzählen, als sie zu vernehmen.
Von Anfang bis zu Ende trug sie sich aber zu, wie folgt.
Zu der Zeit, als Erinnerung in den Seelen der Menschen emporstieg
wie wenn ein Opfergefäß sich vom Fuße her langsam
mit Rauschtrank füllte oder mit Blut; als der Schoß
strenger Herrenfrömmigkeit sich dem Samen des Ur-Vorherigen
öffnete, Heimweh nach der Mutter alte Sinnbilder mit verjüngten
Schauern umgab und die Pilgerzüge anschwellen ließ,
die im Frühjahr zu den Wohnhäusern der großen
Weltamme drängten: zu dieser Zeit hielten zwei Jünglinge,
wenig verschieden an Jahren und Kastenzugehörigkeit, aber
sehr ungleich nach ihrer Verkörperung, enge Freundschaft.
Der jüngere von ihnen hieß Nanda, der etwas Ältere
Schridaman. Jener war achtzehn Jahre alt, dieser schon einundzwanzig,
und beide waren, je an ihrem Tage, mit der heiligen Schnur umgürtet
und in die Gemeinschaft der Zweimalgeborenen aufgenommen worden.
Beheimatet waren sie in demselben Tempeldorfe, mit Namen »Wohlfahrt
der Kühe«, und hingesiedelt vor Zeiten auf Fingerzeig
der Götter an seiner Stätte im Lande Kosala.
Autoreninfo
Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck geboren und wohnte seit 1894 in München. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an der Universität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August 1955. 1929 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.