Produktbeschreibung
»Dieses verfluchte Buch (auf das ich sehr stolz bin) muß wohl recht dunkel sein, recht unverständlich! Ich werde lange darunter zu leiden haben, daß ich das Böse mit einigem Talent darzustellen wagte.« Charles Baudelaire
Zusammenfassung
Claude Pichois schreibt im Nachwort zu seinem Buch Baudelaire
im Urteil seiner Zeitgenossen Insel Verlag 1969: »Baudelaire
hat seine Legende selbst geschaffen (...). Aber Baudelaire
hat zunächst wohlüberlegte Zurückhaltung geübt.
Vor Rimbaud, vor Valèry, nach Racine, wußte er um
die soziologische Funktion des Schweigens. In einer von Schwätzern
manipulierten Welt wirkt das Schweigen als etwas Ungewöhnliches,
etwas Verdächtiges. Das Geheimnis wirkt beunruhigend. Zwischen
1842 und 1851 geht das Gerücht um, Baudelaire schreibe Verse«.Freilich
schrieb Baudelaire Verse, und als dann 1857 in Paris die hundert
Gedichte der ersten Ausgabe der Fleurs du Mal erschienen
und schon bald darauf Verleger und Dichter wegen Verletzung der
Moral und der guten Sitten vor ein Gericht gezogen und zu Geldstrafen
verurteilt wurden, da hatte Paris, die literarische Welt, ihren
Skandal. Andrerseits glaubten nun nicht wenige das Recht zu haben,
den Dichter und seine Dichtungen zu diffamieren. Die unmittelbare
Rezeption der Fleurs du Mal, wie sie sich in der zeitgenössischen
Presse spiegelt, wirft ein trübes Licht auf deren Zustand.
»Viele Leute haben sich mit der Neugier von Gaffern um
den Autor der Fleurs du Mal gedrängt,« schreibt
Baudelaire. »Der Autor der fraglichen Fleurs konnte ja
nichts anderes als ein monstruöser Exzentriker sein. Alle
diese Luder haben mich für ein Ungeheuer gehalten, und als
sie erkannten, daß ich kalt, maßvoll und höflich
war (...), haben sie (wie ich vermute) festgehalten, ich sei gar
nicht der Autor meines Buches. Welch komische Vermengung von Autor
und Gegenstand! Dieses verfluchte Buch (auf das ich sehr stolz
bin) muß wohl recht dunkel sein, recht unverständlich!
Ich werde lange darunter zu leiden haben, daß ich das Böse
mit einigem Talent darzustellen wagte.« (13. Oktober
1864 an Ancelle)
Leseprobe
SEGENSSPRUCH
Wenn nach dem Spruch der obersten Gewalten
Der Dichter tritt in diese graue Welt,
Entsetzte Mutter Lästerflüche gellt
Hinauf zu Gott, der läßt Erbarmen walten:
»Was bracht ich nieder nicht ein Nest voll Schlangen,
Eh daß ich solchen Spott in mir genährt!
O Fluch der Nacht, die flüchtige Lust beschert
Und meinen Leib das Bußkreuz ließ empfangen!
Da mir vor allen Frau`n du gabst die Schande
Der Abscheu meines gramen Manns zu sein,
Und ich nicht dies verkrümmte Fleisch und Bein
Verbrennen kann gleich einem Liebespfande,
Laß deines Hasses Wucht ich weiterschießen
Auf dieses Werkzeug deiner Grausamkeit
Und beuge diesem Jammerbaum so weit,
Daß die verseuchten Knospen nimmer sprießen!«
So würgt sie nieder ihres Hasses Eiter,
Und sie, die Gottes Ratschluß nicht verstand,
Türmt auf der Hölle Grund mit eigener Hand
Die für der Mütter Schmach bereiten Scheiter.
Doch in der Engel unsichtbarer Lenke
Trinkt Sonnengluten das enterbte Kind;
Aus allem, was es ißt und trinkt, ersinnt
es Himmelsbrot und rote Göttertränke.
Autoreninfo
Charles Baudelaire (1821-1867) hat überwiegend in Paris gelebt, wo er das väterliche Erbe als Großstadtdandy durchbrachte. Er war auch tätig als Kunstkritiker, übersetzte Poe und entdeckte die Musik Richard Wagners für Frankreich.