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Sehr ergreifendes Buch über Toleranz
- von TheUjulala aus München, 30.09.2016 -
Maisie Bean lebt mit ihren jugendlichen Kindern bei ihrer demenzkranken Mutter, getrennt von ihrem gewalttägigen Ehemann, der plötzlich verschwunden ist. Gemeinsam mit ihren Kindern Jeremy und Valerie und ihrer besten Freundin Lynn kümmern sie sich um ihre Mutter. Jeremy ist ein 16 jähriger Junge mit normalen und typischen Träumen, die natürlich auch durch die Erlebnisse mit dem gewalttätigen Vater geprägt sind. Valerie ist ein 12 jähriges Mädchen, voll in der Pubertät, die ihre Provokation und Traurigkeit durch heftige Schimpfwörter Ausdruck verleiht. Die Großmutter Bridie driftet zwischen klaren Momenten und absolutem Nebel hin und her, und lässt dann die typische Aggression gegen ihre unbekannte Umwelt vor allem an Maisie aus.
Maisie, in ihrem eintönigen und anstrengenden Alltag zwischen zwei undankbaren Jobs, Pflege der Mutter und Erziehung ihrer aufmüpfigen Tochter, beginnt sich aus ihrer alltäglichen Aufopferung zu befreien, und lässt sich das erste mal nach 17 Jahren auf ein Rendezvous mit ihrem langjährigen Bekannten Fred Brennan ein. Alles scheint für Maisie gut zu laufen, doch dann verschwindet plötzlich ihr Sohn Jeremy zusammen mit seinem besten Freund Rave, genau in einem ihrer glücklichsten Momente in ihrem Leben.
Anna McPartlin schreibt ihren Roman aus mehreren Perspektiven. Der ganze Roman geht tatsächlich nur über 5 Tage, in denen sie durch die Erinnerungen der Personen die Umstände und früheren Geschehnisse dem Leser näher bringt. Sie schreibt sehr flüssig und eingängig, bleibt aber ehrlich und authentisch mit ihren Formulierungen.
Wir sind im Januar des Jahres 1995 im sehr konservativen und katholischen Irland. Deswegen kann man einige Verhaltensweisen der Personen im Roman etwas besser nachvollziehen (aber nicht wirklich verstehen). Die Angst vor Gerede in der Nachbarschaft, man könnte Dreck am Stecken haben oder „anders“ sein, ist allgegenwärtig und diktiert ganz extrem die Handlungsweisen der Personen. Ja nicht auffallen, und ja nicht zum Gespött der Gemeinde werden.
Es ist schön mitzuerleben, welche Verwandlung die einzelnen Personen im Laufe der 5 Tage machen, wie sie lernen den Anderen zu akzeptieren aber auch zu verzeihen. Oder auch lernen endlich jemanden die Stirn zu bieten und ehrlich die Meinung sagen zu können, und sich dadurch auch vom gesellschaftlichen Druck abheben. Diese Thematik zieht sich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen im gesamten Buch durch.
Alle Mitglieder der Familie Bean sind mir sehr zu Herzen gegangen. Jeder hat seine Ängste und Bedürfnisse und ich konnte mich sehr gut in jeden einfühlen. Die Schilderungen einiger Szenen haben mich sehr getroffen und manches mal konnte ich nicht nachvollziehen, warum der oder die so gehandelt haben und war auch teilweise entsetzt! Da musste ich mir dann immer vergegenwärtigen, in welchem Jahr und in welchem Land wir gerade sind.
Der Schreibstil hat mich sehr begeistert. Auch die Perspektivenwechsel zwischen den Personen finde ich sehr gelungen! Ich finde die Rückblicke toll gelöst und stören auch nicht. Manchmal war mir aber der Wechsel zwischen Erinnerung und aktueller Handlung zu undeutlich, da hätte vielleicht eine einfache Leerzeile ausgereicht, den gedanklichen Zeitsprung zurück zu schaffen.
In der Mitte und der Anfang des letzten Abschnittes wirken einige Passagen etwas zäh auf mich. Dafür wird es gegen Ende richtig rasant. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und hatte nur noch Tränen in den Augen. Die Autorin reizt auch die Frage, wie der arme Jeremy nun zu Tode gekommen ist, bis zur letzten Seite aus und lässt dem Leser die verschiedensten und auch wildesten Spekulationen durchleben. Der Epilog gibt dann leider auch noch eine Schippe drauf und ist dann doch etwas sehr kitschig.
Anna McPartlin schafft, mit diesem am Schluss sehr emotionalen Roman, eine gesellschaftskritisches Werk, dessen moralischer Appell auch ganz besonders für heutige Verhältnisse gilt.
Es geht nicht nur um das Verschwinden von zwei Jungen, die zermürbende Suche und vor allem auf das bange Hoffen, dass sie doch lebend wieder zurückkommen. Sondern es ist auch ein Appell gegen die gesellschaftliche Intoleranz gegenüber den Mitmenschen mit anderer Gesinnung und anderer Meinung. Und es geht auch um das Verstehen, um das Verzeihen können und das einander Akzeptieren.
Es ist alles in allem ein sehr ergreifendes und emotionales Buch das ich auf jeden Fall zum Lesen empfehlen kann.