Produktbeschreibung
Auf einer Reise durch die arabische Wüste stoßen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar auf einen geheimnisvollen blinden Seher. Das Buch markiert den Übergang von der romantischen Erzählung zu Mays Spätwerk. Besonders eindrucksvoll sind die Visionen vom Jüngsten Gericht gestaltet. Die vorliegende Erzählung spielt zu Beginn der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Fortsetzung in Band 50 In Mekka (von Franz Kandolf). Der Titel ist auch als ebook erhältlich.
Leseprobe
Nach Mekka
"Sihdi, es war doch immer wunderschön, wenn wir beide,
auf unseren unvergleichlichen Pferden sitzend, von keinem fremden
Menschen begleitet, immer hinein in Allahs schöne Welt ritten,
wohin es uns gefiel! Diese Welt gehörte uns, denn da wir
keinen Begleiter bei uns hatten, konnte niemand sie uns streitig
machen. Wir taten, was wir wollten, und unterließen, was
uns nicht gefiel; wir waren unsere eigenen Herren, denn wenn es
jemanden gab, dem wir gehorchen mußten, so bestand dieser
jemand aus zwei Personen, nämlich aus mir und aus dir. Ich
bin mir da oft als der Gebieter des ganzen Erdkreises vorgekommen
und habe die unersteigbaren Höhen meines Ruhms aus den Tiefen
meines Selbstbewußtseins hervorgeholt, um in andachtsvoller
Bewunderung an ihnen emporzuklimmen und dann fröhlich wieder
herabzusteigen. Das konnte ich, weil wir allein waren und es also
keinen unwillkommenen Störenfried gab, dem es einfallen konnte,
ohne meine Erlaubnis und hinter meinem Rücken mit hinauf-
und herunterzuklettern. ja, das war eine sehr, sehr schöne
Zeit, in der wir erlebten, was kein anderer Mensch erlebt, und
zwar nur deshalb, weil wir so allein waren und uns nur nach uns
selbst zu richten brauchten. Ich sage dir, Sihdi, alle diese Taten
und Begebenheiten sind rundum an den Wänden meiner Seele
aufgeschrieben und mit unvergänglichen Pflöcken in den
Boden meines Gedächtnisses eingeschlagen, wie man Pferde,
Kamele und lebhafte Ziegen an Pflöcke bindet ...
Autoreninfo
Karl May (1842-1912) war das fünfte von 14 Kindern einer armen Weberfamilie aus Ernstthal/Sachsen. Vom Studium am Lehrerseminar wurde er zunächst ausgeschlossen, nachdem er Kerzenreste unterschlagen hatte. Später konnte er die Ausbildung fortsetzen, arbeitete nur 14 Tage in seinem Beruf, bevor er wieder des Diebstahls bezichtigt und von der Liste der Kandidaten gestrichen wurde. Wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei wurde er in den Jahren darauf immer wieder verhaftet und monatelang festgesetzt. Die Jahre zwischen 1870 und 1874 verbrachte er im Zuchthaus Waldheim. Erst viele Jahre nach dem Erscheinen des akribisch recherchierten Orientzyklus reiste Karl May tatsächlich in den Orient. Karl May war lange Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Er starb1912 in Radebeul.