Produktbeschreibung
Dies ist der erste von fünf Bänden, die in den bayrischen Bergen spielen und in denen neben dem urwüchsig-kauzigen Wurzelsepp der Märchenkönig Ludwig II. auftritt. Geschichten von Liebe und Hass, Jagd auf einen Wilderer, Rettung aus Bergnot sind nur einige der vielen spannenden Themen. Die vorliegende Erzählung spielt in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Bearbeitung aus dem 1886/1887 geschriebenen Kolportageroman "Der Weg zum Glück". Erster Teil. Fortsetzung in Band 67 Der Silberbauer. Weitere Episoden aus "Der Weg zum Glück": Band 68 Der Wurzelsepp, Band 73 Der Habicht, Band 78 Das Rätsel von Miramare. Der Titel ist auch als ebook erhältlich.
Leseprobe
DER WILDERER UND DER KÖNIG
Ein schöner Herbsttag neigte sich seinem Ende zu. Die Sonne
gleißte im Westen auf den Gletschern und Firnen der Alpenriesen
und spiegelte sich im Wasser des Gießbachs, der hastig und
in weiten Sätzen von der östlichen Höhe sprang.
Hell und getragen verklang ein Lied von der Höhe ins Tal
hinab. Kraftvolle, schmiegsame Töne der Zither hallten ihm
nach, bis sich zwei tiefbraune, faltenreiche und wetterharte Hände
behutsam auf die summenden Saiten legten.
Die beiden Sänger, ein siebzigjähriger Mann und ein
siebzehnjähriges Mädchen, strahlten vor Freude an ihrem
eigenen Gesang. Aus ihren Augen blitzte das fast kindliche Vergnügen
über das Echo, das der jodler an den gegenüberliegenden
Felswänden wachrief.
Sonntägliche Ruhe lag unten im Tal, wo sich schon die Abendnebel
zusammenzogen, und sonntäglich war auch die Sennerin gekleidet,
die neben der Tür der Almhütte am Holzstoß lehnte
und dem Zither spielenden Alten fröhlich zunickte: eine schlanke,
doch kräftige Älplerin in kurzem Rock aus rot- und blaugestreiftem
Zeug. über den schmalen Hüften trug sie einen glanzledernen
Gürtel, an dem einige Schlüssel hingen. Das gebräunte
Gesicht verriet festen Willen, aber auch von Herzen kommende Güte.
Das dunkle Haar war in zwei lange, schwere Zöpfe geflochten;
um die Stirn und an den Schläfen hatten sich einige widerspenstige
Kräusel befreit und krönten nun wie ein Diadem das frische
Angesicht.
Die silbernen Spangen des Samtmieders waren von sehr alter Arbeit,
wohl ein Erbstück; Kette und Kreuz hingegen nur von geringem
Wert. Das Mädchen war arm, aber von der Natur mit dem größten
Reichtum: Schönheit u,nd Gesundheit, beschenkt.