Produktbeschreibung
Der Band enthält Humoresken und Kurzgeschichten aus Mays früher Schaffenszeit. Die Titelgeschichte erzählt von einem zerstreuten Professor, der sich ganz der Erforschung der amerikanischen Urvölker ergeben hat. Daran knüpfen sich Erinnerungen an eine Episode aus Old Shatterhands eigenem Leben. Der Band enthält folgende Erzählungen: 1.) Professor Vitzliputzli; 2.) Wenn sich zwei Herzen scheiden; 3.) Der Glücksschimmel; 4.) Die Kriegskasse; 5.) Am Ernstthaler Stammtisch; 6.) Der Wollteufel; 7.) Der Fischerjakob und das Wasserfaß; 8.) Die falschen Exzellenzen; 9.) Die beiden Nachtwächter; 10.) Die verhexte Ziege; 11.) Die Erben wider Willen; 12.) Pankraz der Ehestifter; 13.) Wie dem Stadtrat Epperlein aus der Klemme geholfen wurde. Der Titel ist auch als ebook erhältlich!
Leseprobe
PROFESSOR VITZLIPUTZLI
Ein Buch über einen Sonderling
Es ist schon soviel über Professoren geschrieben worden,
und zwar gut und oft auch weniger gut, daß ich fürchten
müßte, den Leser zu langweilen, wollte ich ein ähnliches
Garn spinnen. Aber das fällt mir gar nicht ein. Meine Geschichte
hat nämlich mit einem wirklichen Professor nichts zu tun.
Denn mein Freund, Professor Vitzliputzli, war weder ein Professor,
noch weniger war ihm sein Spitzname etwa von grausam scharfen
Schülerzungen gegeben worden. Er wurde nur von seinen Bekannten
so genannt, weil - doch der Leser wird ja sehen.
Mein erstes Zusammentreffen mit diesem merkwürdigen Mann
war keineswegs so, daß sich daraus auf unser späteres
freundschaftliches Verhältnis hätte schließen
lassen.
Ich weilte gerade in Dresden und sah im Schaufenster einer Buchhandlung
ein längst vergriffenes und sehr seltenes Buch über
die Sprache der Inka zum Verkauf ausgestellt. Im nächsten
Augenblick hatte ich die Türklinke in der Hand und befand
mich im Laden. Auf meinen Wunsch nahm der Verkäufer das
Buch aus der Auslage und gab es mir. Aufmerksam blätterte
ich es durch. Das Buch war sicherlich kostbar, aber dennoch erschien
mir der Preis, zehn Taler, etwas übertrieben hoch, wenigstens
für meine Verhältnisse. Ich bemerkte das dem Buchhändler,
worauf er erwiderte, daß noch ein anderer Käufer die
Schrift zu erwerben begehre; ich brauchte sie also nicht zunehmen.
Nun begann ich zu schwanken. Da die Kenner der altindianischen
Sprachen so selten sind, daß man sie fast an den Fingern
aufzählen kann, wurde meine Neugier rege, und ich erkundigte
mich nach dem Namen des Mannes.
Autoreninfo
Karl May (1842-1912) war das fünfte von 14 Kindern einer armen Weberfamilie aus Ernstthal/Sachsen. Vom Studium am Lehrerseminar wurde er zunächst ausgeschlossen, nachdem er Kerzenreste unterschlagen hatte. Später konnte er die Ausbildung fortsetzen, arbeitete nur 14 Tage in seinem Beruf, bevor er wieder des Diebstahls bezichtigt und von der Liste der Kandidaten gestrichen wurde. Wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei wurde er in den Jahren darauf immer wieder verhaftet und monatelang festgesetzt. Die Jahre zwischen 1870 und 1874 verbrachte er im Zuchthaus Waldheim. Erst viele Jahre nach dem Erscheinen des akribisch recherchierten Orientzyklus reiste Karl May tatsächlich in den Orient. Karl May war lange Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Er starb1912 in Radebeul.