Produktbeschreibung
Ein dem Spiel ergebener Leutnant, auf dessen Gewissen eine alte Schuld lastet, verstrickt sich immer mehr in ein Netz von Verbrechen. Detektiv Franz Arndt, aus dem "Buschgespenst" dem Leser gut bekannt, nimmt sich der Sache an und bemüht sich erfolgreich um die Rehabilitierung Unschuldiger. Die vorliegende Erzählung spielt zu Beginn der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Bearbeitung aus dem Kolportageroman "Der verlorene Sohn". Weitere Titel daraus: Band 64 Das Buschgespenst, Band 65 Der Fremde aus Indien, Band 75 Sklaven der Schande, Band 76 Der Eremit. Der Titel ist auch als ebook erhältlich.
Leseprobe
1. Zwei Sträflinge
Die Stadt Rollenburg hatte ihren Namen durch das Schloß
erhalten, das sich über ihr auf dem Felsen erhob. Die Rollenburg,
im dreizehnten Jahrhundert erbaut, war lange Zeit Sitz eines berühmten
Raubrittergeschlechts gewesen. Spätere Besitzer hatten sie
vergrößert. Mehrere Flügel waren im Lauf der
Zeit angebaut worden; als das Anwesen eines Tages in staatlichen
Besitz übergegangen war, wurde der größere Teil
des Schlosses in ein Zuchthaus umgewandelt, und der kleinere diente
als Aufenthalt für Geisteskranke.
Seit dieser Zeit verstand man unter der Redensart nach Rollenburg
kommen nichts anderes als die Einlieferung ins Zucht- oder Irrenhaus.
Die Strafanstalt war nach dem gemischten System eingerichtet;
es gab also Zellen für Isolierhaft, aber auch Schlaf und
Arbeitssäle für Kollektivhaft. Der Direktor war ein
Hauptmann außer Dienst; er entstammte einem alten Adelsgeschlecht
und hatte für seine Verdienste als Leiter dieses Zuchthauses
den Titel Regierungsrat erhalten.
Die Gefangenen in Rollenburg gingen unterschiedlichen Beschäftigungen
nach; da arbeiteten Schmiede und Schlosser, Schreiner und Schneider,
aber auch Schuster, Weber und Zigarrenmacher in voneinander getrennten
Räumen. Die Zellenhaft konnte entweder als eine Vergünstigung
oder als eine Strafverschärfung betrachtet werden. Eine
Strafverschärfung war sie für gefährliche, unverbesserliche
Häftlinge, die man nicht mit den anderen Gefangenen in Berührung
kommen lassen wollte. Als Vergünstigung aber konnten sie
Gefangene empfinden, denen man noch ein gewisses Ehrgefühl
zutraute,
Autoreninfo
Karl May (1842-1912) war das fünfte von 14 Kindern einer armen Weberfamilie aus Ernstthal/Sachsen. Vom Studium am Lehrerseminar wurde er zunächst ausgeschlossen, nachdem er Kerzenreste unterschlagen hatte. Später konnte er die Ausbildung fortsetzen, arbeitete nur 14 Tage in seinem Beruf, bevor er wieder des Diebstahls bezichtigt und von der Liste der Kandidaten gestrichen wurde. Wegen Diebstahls, Betrugs und Hochstapelei wurde er in den Jahren darauf immer wieder verhaftet und monatelang festgesetzt. Die Jahre zwischen 1870 und 1874 verbrachte er im Zuchthaus Waldheim. Erst viele Jahre nach dem Erscheinen des akribisch recherchierten Orientzyklus reiste Karl May tatsächlich in den Orient. Karl May war lange Zeit einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. Er starb1912 in Radebeul.