Produktbeschreibung
Die Heidelberger Apothekerin Hella Moormann erzählt in der Frauenklinik
ihrer Bettnachbarin Rosemarie Hirte ihre abenteuerliche Lebensgeschichte.
Hella, die schon in ihrer Kindheit unabsichtlich mordete, fühlt sich seit
jeher zu kriminellen und gescheiterten Männern hingezogen. Mit 35 Jahren
verliebte sie sich in den verkrachten Studenten Levin, durch den sie in
einen Strudel mörderischer Verwicklungen geriet: Ein vergifteter Großvater,
eine tödlich verunglückte Rivalin, eine ungeklärte Vaterschaft und die
Liebschaft mit einem verheirateten Mann spielen in den Geschehnissen eine
prominente Rolle. Durch den abschließenden Kommentar der >>Beichtmutter<<
Rosemarie Hirte erhält der Roman eine überraschend makabere Wende.
Kritik
¯Die Grande Dame des raffinierten Verbrechens beherrscht das Metier wie niemand sonst.® Dagmar Kaindl / Buchkultur Buchkultur
Leseprobe
Außer dem Familienmotto »Über Geld spricht man
nicht, man hat es« und einem unerklärlichen Dünkel
hatte meine Mutter keine Güter von ihrem Clan geerbt. Meinem
Vater gegenüber verhielt sie sich im allgemeinen devot; in
seiner Abwesenheit konnte sie sich allerdings gelegentlich zur
Größe eines Tyrannosaurus aufpumpen. Uns Kindern wurde
das erst in jenen Tagen klar, als mein Vater ohne ersichtlichen
Grund derart aller Fleischeslust abschwor, daß er zum Vegetarier
wurde und missionarisch auf seine Familie einwirkte. Allerdings
gestattete er uns aus Gründen des Wachstums und der Barmherzigkeit
ein wenig Lyoner Wurst, ein Ei am Sonntag oder ein paar Krümel
Hackfleisch an der Tomatensoße.
Wenn sich andere Hausfrauen um vier Uhr nachmittags eine Tasse
Kaffee kochten, bereitete unsere dicke, kleine Mutter eine wahre
Fleischorgie für sich, mich und meinen Bruder. Es war der
einzige Fall von Kumpanei, den man ihr nachsagen konnte, und er
bereitete uns abscheuliche Lust.
Wie beim Verschwindenlassen einer Leiche mußten alle fleischlichen
Überreste beseitigt werden, bevor Vater heimkam. Weder Knochen,
Schwarten und Fettklumpen noch Düfte- oder schmierige Teller
durften von unserem heimlichen Verbrechen Zeugnis ablegen. Zähne
wurden geputzt, der Mülleimer entleert und die Küche
mit Zitronen-Spray in den Stand der Unschuld zurückversetzt.
Autoreninfo
Ingrid Noll wurde 1935 in Shanghai geboren und studierte in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Sie ist Mutter dreier inzwischen erwachsener Kinder. Nachdem die Kinder das Haus verlassen hatten, begann sie Kriminalgeschichten zu schreiben, die allesamt sofort zu Bestsellern wurden, "Die Häupter meiner Lieben" wurde mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet und, wie andere ihrer Romane, auch erfolgreich verfilmt. Im September 2000 kam "Kalt ist der Abendhauch" in die Kinos.