Produktbeschreibung
Auf einer von Kormoranen und See-Elefanten bevölkerten und von Delphinen
umspielten Insel ist ein Indianermädchen als Einzige ihres Stammes zurückgeblieben.
Im täglichen Überlebenskampf wird sie selbst immer mehr Teil der Natur
und Freundin der Tierwelt. Lange Jahre abenteuerlichen Lebens vergehen,
bis wieder ein menschliches Wort an das Ohr des Mädchens dringt.
Leseprobe
Ich erinnere mich lebhaft in den Tag, an dem das Aleuterschiff
kam. Erst sah es aus wie eine kleine Muschel, die auf dem Meer
dahintreibt. Darin begann sie zu wachsen und wurde zu einer Möwe
mit gefalteten Flügeln. Zuletzt, als die Sonne aufging,
erkannte ich, was es wirklich war - ein Schiff mit roten Segeln!
Mein Bruder und ich waren auf einen Hügel gestiegen; unter
eins lag eine Schlucht, die sich bis zu einem kleinen Hafen hinunterschlängelt.
Dort liegt die Korallenbucht. Mein Bruder und ich wollten auf
der Anhöhe nach Wurzeln graben. Im Frühjahr findet
man dort immer welche. Mein Brüder war noch klein, halb
so alt wie ich, und ich zählte damals zwölf Jahre.
Gemessen an den vielen Sonnen und Monden, die er gesehen hatte,
war Ramo klein, doch flink wie eine Grille, aber auch ebenso töricht,
wenn er in Aufregung geriet. Darum sagte ich ihm nichts von der
Muschel und der Möwe mit den gefalteten Flügeln, die
ich entdeckt hatte, denn er sollte mir beim Wurzelsammeln helfen
und nicht davonlaufen. Ich stocherte weiter mit meinem spitzen
Stock, als wäre auf dem Meer nicht das geringste zu sehen.
Selbst als ich sicher wußte, daß die Möwe ein
großes fremdes Schiff war, grub ich weiter im Gestrüpp.
Doch Ramos Augen entgingen wenige Dinge auf dieser Welt. Sie
waren schwarz und groß wie die Augen einer Eidechse, und
sie konnten genauso schläfrig blicken; aber gerade dann nahmen
sie alles am besten wahr. Die Augen halb geschlossen, schaute
er jetzt blinzelnd aufs Meer hinaus wie eine Eidechse, bevor sie
die Zunge herausschnellt, um nach einer Fliege zu schnappen.
»Das Meer ist glatt«, sagte Ramo, »wie ein flacher
Stein, der keinen einzigen Kratzer hat.«
Mein Bruder redete gerne so, als wäre etwas nicht das, was
es war, sondern etwas anderes.
»Das Meer ist kein Stein, der keinen Kratzer hat«, sagte
ich. »Es ist Wasser, das keine Wellen schlägt.«
Autoreninfo
Scott O'Dell
wurde 1903 in Los Angeles geboren. Er schrieb Romane und eine
Geschichte Kaliforniens. Das vielgelesene Buch Insel der blauen
Delphine war sein erstes Jugendbuch und wurde 1963 mit dem
Deutschen Jugendliteraturpreis und mit der amerikanischen Newbery-Medaille
ausgezeichnet. Später erschien ein Fortsetzungsband zu dieser
Geschichte unter dem Titel Das verlassene Boot am Strand.
Das Feuer vor Assisi, Vogelmädchen, Ich
und Poseidon, und Ich heiße nicht Angelika
sind seine letzten ins Deutsche übertragenen Geschichten
für Jugendliche. 1972 erhielt Scott O'Dell den Hans-Christian-Andersen-Preis
für sein Gesamtwerk, den »kleinen Nobelpreis« des
Jugendbuches. Er starb 1989 in Kalifornien.