Produktbeschreibung
Die Hauptfigur dieses Briefromans, der international renommierte Gelehrte Alexander Gideon, hat mit einer vergleichenden Studie zum Thema Faschismus von sich reden gemacht und verkörpert als problematischer Charakter eben den Typus, den er selber kritisch durchleuchtet. Ein leidvolles Porträt der israelischen Wirklichkeit, wäre da nicht Boas. Der Junge entwickelt sich zum hoffnungsvollen Neuling in dieser Welt, während seine Eltern noch die Black Box, den Flugschreiber ihrer abgestürzten Träume, entziffern.
Zusammenfassung
Die Hauptfigur dieses Briefromans, der international renommierte
Gelehrte Alexander Gideon, hat mit einer vergleichenden Studie
zum Thema Fanatismus von sich reden gemacht und verkörpert
als problematischer Charakter eben den Typus, den er selber kritisch
durchleuchtet. Unbeugsam nach außen, isoliert, von schneidender
Schärfe, gehemmt und immer wieder von Gefühlen übermannt,
korrespondiert er abwechselnd mit seiner geschiedenen Frau Ilana,
die ihm masochistisch ergeben ist, seinem alten Mentor und Anwalt
Sackheim, seinem ungebärdigen Sohn Boas und dem frommen Juden
aus Afrika, Ilanas zweitem Mann, Michael Sommo. Wie aus anderen
Welten treten hinzu der Vater von Alexander, fast ein Prophet,
entrückt im Altersheim, und die Schwester der gefährdeten
Ilana, Rachel, mit einem bürgerlichen Leben im Kibbuz.
Ein leidvolles Porträt der israelischen Wirklichkeit, wäre
da nicht Boas. Der Junge entwickelt sich zum hoffnungsvollen Neuling
in dieser Welt, während seine Eltern noch die Black Box,
den Flugschreiber ihrer abgestürzten Träume, entziffern.
Leseprobe
Dr. Alexander A. Gideon
Political Science Department
University of Illinois
Chicago, 111., USA
Jerusalem, den 5. 2. 1976
Schalom Alek,
Wenn Du diesen Brief beim Anblick meiner Handschrift auf dem Umschlag
nicht sofort vernichtet hast, zeigt sich wieder einmal, daß
die Neugier noch stärker ist als der Haß. Oder daß
Dein Haß neuen Sprit braucht.
Jetzt erbleichst Du, preßt wie gewohnt Deine Wolfslefzen
zusammen, ziehst die Lippen ein und verschlingst diese Zeilen,
um herauszufinden, was ich von Dir will, was ich mir anmaße,
von Dir zu wollen, nach sieben Jahren völligen Schweigens
zwischen uns.
Ich will, daß Du von Boas' heikler Lage erfährst, Du
mußt ihm dringend helfen. Mein Mann und ich können
nichts tun, weil er jeden Kontakt abgebrochen hat. Wie Du.
Nun kannst Du aufhören zu lesen und diesen Brief geradewegs
ins Feuer werfen. (Aus irgendeinem Grund denke ich mir Dich immer
in einem langen Raum voller Bücher, alleine an einem schwarzen
Schreibtisch sitzend, vor Dir ein Fenster, hinter dessen Scheiben
sich leere verschneite Weiten erstrecken. Weiten ohne Hügel,
ohne Baum, nur weißglitzernder Schnee. Ein Feuer im Kamin
zu Deiner Linken, vor Dir ein leeres Glas und eine leere Flasche
auf der leeren Tischplatte. Das Ganze erscheint mir als Schwarzweißbild.
Und auch Du: mönchisch, asketisch, hochgewachsen und gänzlich
in schwarz-weiß.)
Jetzt knüllst Du diesen Brief zusammen, räusperst Dich
auf leicht britische Art und zielst genau aufs Feuer: Denn was
schert Dich Boas? Und außerdem glaubst Du mir ja doch kein
Wort. Du richtest Deine grauen Augen auf das flackernde Feuer
und sagst Dir: Da will sie mich wieder mal...
Autoreninfo
Amos Oz, geboren 1939 in Jerusalem, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie an der hebräischen Universität in Jerusalem. Er gehört zu den großen israelischen Schriftstellern der Gegenwart und unterrichtet hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität in Beesheva. Seit 1986 lebt er mit seiner Familie in Arad in der Negey-Wüste. 1992 wurde er in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, 2004 mit dem "Welt"-Literaturpreis.