Produktbeschreibung
Mit dem ironischen Porträt des sich selbst quälenden Intellektuellen Fima ist Amos Oz nicht nur eine Diagnose der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft gelungen, sondern zugleich ein äußerst humor- und liebevolles Porträt der täglich mit den Fragen von Leben und Tod konfrontierten einzelnen Israelis. Denn hier werden die Hoffnungen wie Ängste der Israelis auf das genaueste dargestellt: Jerusalem erscheint als völlig verrottet, nichts funktioniert, jeder »zweite Typ ein halber Prophet und ein halber Ministerpräsident«, kurz: »ein Irrenhaus«.
Zusammenfassung
Die Ereignisse im Nahen Osten, der vorerst geglückte Friedensschluß
zwischen Israel und den Palästinensern, machen den jüngsten
Roman des meisterhaft erzählenden Friedenspreisträgers
Amos Oz auf das neueste hoch aktuell:
Mit dem ironischen Porträt des sich selbst quälenden
Intellektuellen Fima ist Amos Oz nicht nur eine Diagnose der gegenwärtigen
israelischen Gesellschaft gelungen, sondern zugleich ein äußerst
humor- und liebevolles Porträt der täglich mit den Fragen
von Leben und Tod konfrontierten einzelnen Israelis. Denn hier
werden die Hoffnungen wie Ängste der Israelis auf das genaueste
dargestellt: Jerusalem erscheint als völlig verrottet, nichts
funktioniert, jeder »zweite Typ ein halber Prophet und ein
halber Ministerpräsident«, kurz: »ein Irrenhaus«.
»Das erzählerische uvre dieses politischen Romanciers,
der sich in der epischen Nähe von Salman Rushdie und Günter
Grass, Milan Kundera und Lars Gustafsson, Lobo Antunes und Mario
Vargas Llosa aufhält, könnte jetzt schon als kritische
Annotation der Geschichte Israels gelesen werden - und als wachsender
Prozeß einer Ernüchterung, ja Ausnüchterung politischer
und gesellschaftlicher Utopien.«
Wolfram Schütte, Frankfurter Rundschau
Leseprobe
1. Verheißung und Gnade
Fünf Tage vor dem Unheil hatte Fima einen Traum, den er morgens
um halb sechs Uhr in sein Traumbuch eintrug. Dieses braune Büchlein
lag stets unter dem Stapel zerfledderter Zeitungen und Hefte am
Fußende des Bettes auf dem Boden. Fima hatte sich angewöhnt,
in aller Frühe, beim ersten Morgengrauen zwischen den Jalousieritzen,
noch im Bett zu notieren, was er bei Nacht gesehen hatte. Hatte
er gar nichts gesehen oder das Gesehene vergessen, knipste er
trotzdem die Nachttischlampe an, blinzelte ein wenig, setzte sich
auf, legte sich irgendeine dicke Zeitschrift als Schreibunterlage
auf die angewinkelten Knie und vermerkte zum Beispiel:
»Den zwanzigsten Dezember - leere Nacht.« Oder:
»Den vierten Januar - irgendwas mit Fuchs und Leiter, aber
die Einzelheiten sind ausgelöscht.«
Das Datum schrieb er in Worten, nicht Zahlen. Danach stand er
zum Pinkeln auf und legte sich wieder aufs Ohr, bis draußen
Taubengurren und Hundebellen aufklangen und irgendein Vogel in
der Nähe sich anhörte, als traue er seinen Augen nicht
vor Verblüffung. Fima nahm sich dann vor, sofort aufzustehen,
in zwei, drei Minuten, höchstens einer Viertelstunde, nickte
aber manchmal wieder ein und schlief dann bis acht oder neun Uhr
durch, da seine Arbeit in der Praxis immer erst um ein Uhr nachmittags
begann. Im Schlaf, fand er, gab es weniger Lügen als im Wachen.
Obwohl er längst begriffen hatte, daß die Wahrheit
außerhalb seiner Reichweite lag, wollte er soweit wie möglich
von den kleinen Lügen des Alltags loskommen, die als feiner
Staub in die verstecktesten Ecken und Winkel drangen.
Autoreninfo
Amos Oz, geboren 1939 in Jerusalem, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie an der hebräischen Universität in Jerusalem. Er gehört zu den großen israelischen Schriftstellern der Gegenwart und unterrichtet hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität in Beesheva. Seit 1986 lebt er mit seiner Familie in Arad in der Negey-Wüste. 1992 wurde er in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, 2004 mit dem "Welt"-Literaturpreis.