Produktbeschreibung
Seit der zehnten Auflage des Werks Systema Naturae von Carl von Linné, das im Jahr 1758 erschien, hat sich der Begriff »Homo sapiens« als Artbezeichnung für den anatomisch modernen Menschen durchgesetzt. Der vernünftige Mensch, wie wir uns selbst zu nennen pflegen, ist jedoch weit davon entfernt, seinem Wesen nach stets vernünftig zu sein. Ein Blick in unsere Geschichte verrät vielmehr, dass der für die Vernunft notwendige »nüchterne« Geist nur allzu oft auf der Strecke geblieben ist. Ebenso wie wir haben auch unsere Vorfahren hin und wieder gerne nachgeholfen, um die Unwägbarkeiten der profanen Realität abzuschütteln. Eines der »bewährtesten« Mittel zur Überwindung der Nüchternheit ist dabei von jeher der Alkohol. Was im Kleinen funktioniert, hat - was nicht überraschend ist - auch bei welthistorischen Ereignissen häufig eine bedeutende Rolle gespielt. Von Alexander dem Großen über Karl V., Bismarck und Churchill bis in unsere Gegenwart zieht sich eine unauslöschliche Spur von Bier, Wein, Schnaps und Likör. Und auch die dunklen Kapitel der Historie wie Kriege und Völkermord waren nicht unwesentlich durch den Konsum von Alkohol geprägt.
Dieser bis heute weitgehend unbeachteten Facette der Geschichte spürt Jochen Oppermann mit der gebührenden Ernsthaftigkeit und zugleich auf spannende und unterhaltsame Weise nach. Ein ironischer Unterton hin und wieder darf dabei natürlich nicht fehlen - schließlich soll man ja auch nicht alles so »bierernst« nehmen. So viel sei dem Leser versichert: Katerstimmung kommt hier auf keinen Fall auf.
Leseprobe
Deshalb griff man zu einem weniger aufwendigen Hausmittel: Olivenöl. Wer letztlich auf diese Lösung kam, Globke oder Adenauer, wird wohl nie geklärt werden. Jedenfalls bekam jeder vom Chef persönlich einen Löffel verabreicht, was zu Gelächter führte. Die orale Verabreichung ließ man vor jedem Treffen mit den Sowjets über sich ergehen. Bei einer rektalen wäre der Spaßfaktor sicherlich weitaus geringer gewesen.Bereits am 09. September sollte sich zeigen, dass diese Maßnahme äußerst sinnvoll war, jedoch nicht alles verhindern konnte. Das Olivenöl verhinderte ja nicht den Rausch, sondern verlangsamte nur die Aufnahme des Alkohols in die Blutbahn.Nach der Eröffnungserklärung des Kanzlers ließ dieser sich von der russischen Gastfreundschaft mitreißen. Er saß zwischen Bulganin (1895-1975), dem Verteidigungsminister, und Molotow (1890-1986), dem Außenminister, und sprach zum Entsetzen seines ranghohen Diplomaten Blankenhorn (1904-1991) recht intensiv dem Alkohol zu. Georgischer Südwein wurde in einem Zug geleert und Adenauer forderte immer wieder Bulganin, Molotow und schließlich Chruschtschow (1894-1971) auf, es ihm gleichzutun. Gerade letzterer ließ sich nicht lange bitten und sparte nicht mit provokanten Trinksprüchen: ¯Was wollt Ihr, Deutsche - Freundschaft oder Feindschaft?®Dies war ganz nach Adenauers Geschmack, dem ein offener Schlagabtausch gelegen kam. Auch Carlo Schmid (1896-1979), der als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses mitgereist war, wollte die Russen in ihrer eigenen Paradedisziplin schlagen. Wenn es keine Lüge sei, dass die Russen trinkfest seien, wünsche er größere Gläser für den Wodka. Er trinke ja aus einem Fingerhut! Chruschtschow gefiel dieses Verhalten so sehr, dass er ihn ¯Herr Großdeutschland® nannte. Schmid bekam ein größeres Glas und war sich fortan der Sympathie der Russen sicher. Später forderte Chruschtschow gar den ¯Herrn Großdeutschland® zu einem persönlichen ¯Kampf® heraus. Über den Ausgang schweigen die diplomatischen Akten.
Autoreninfo
Jochen Oppermann, geboren 1980 in Kaiserslautern, entwickelt schon als Kind die Leidenschaft für alles, was eine Geschichte hat. Über den Umweg einer Ausbildung im öffentlichen Dienst kam es dann doch noch zum Geschichtsstudium. Heute arbeitet er in einer rheinland-pfälzischen Realschule und ist in der philoso- phischen Erwachsenenbildung tätig. Er lebt mit seiner Familie im geschichtsträchtigen Meisenheim am Glan.