Produktbeschreibung
60 Gutenachtgeschichten für Kinder.
Leseprobe
Der kleine Nachtwächter und die Luftballons
An einem Sommerabend, an dem die Luft so warm war wie ein Federbett,
ging der kleine Nachtwächter mit seiner Laterne durch den
schlafenden Ort. Alles schien wie immer zu sein. Doch als er
an das Haus kam, in dem das Luftballonmädchen wohnt, sah
er, daß die vielen bunten Luftballons draußen an einen
Baum angebunden waren.
»So ein Leichtsinn!« brummte der kleine Nachtwächter.
»Wenn es Regen gibt, werden sie naß.« Und er beschloß,
die Luftballons ins Haus zu tragen.
Aber weil er sie alle auf einmal losband, geschah etwas Merkwürdiges:
Die Ballons hoben den kleinen Nachtwächter sachte vom Boden
weg und stiegen mit ihm in die Luft.
»Oh!« rief der kleine Nachtwächter. »Halt!«
Doch da schwebte er auch schon mindestens drei Meter über
der Erde. Immer höher trieben die Luftballons, und es dauerte
nicht lange, da schwebte der kleine Nachtwächter über
den Dächern der Häuser. Zuerst hatte er natürlich
ein bißchen Angst, aber dann machte es ihm Spaß, so
dahinzusegeln und die Welt aus der Höhe betrachten zu können.
Von oben sah alles sehr klein aus - die Bäume, die Gartenzäune
und die Katzen, die über die Dächer spazierten. »Schön
guten Abend«, rief der kleine Nachtwächter, und er winkte
dem Mond, dem er nun näher war als je zuvor.
Aber als der kleine Nachtwächter eine Weile dahingeschwebt
war, wollte er gerne wieder auf die Erde zurück. Doch so
sehr er auch zappelte und strampelte - er blieb in der Luft.
Da wurde er traurig, und er weinte so viele Tränen, daß
die Blumen glaubten, es regne. Als endlich die Morgendämmerung
kam, wachten die Leute auf. Sie wuschen sich den Hals und die
Ohren, und dann gingen sie hinaus, um nach dem Wetter zu sehen.
»O große Not!« rief die Blumenfrau. »Der
kleine Nachtwächter fliegt am Himmel umher!« Da blickten
die Leute erschrocken zum Himmel, und es lief ihnen eiskalt den
Rücken hinunter.
Autoreninfo
Gina Ruck PauquŠt, 1931 in Köln geboren, hat den Beruf der zahnärztlichen Assistentin erlernt und später die Werkkunstschule in Köln besucht. Sie hat noch in verschiedenen anderen Berufen gearbeitet, auch als Gerichtsreporterin und Bildjournalistin. Geschrieben hat sie über Dinge, die sie betreffen und betroffen machen. Als sie achtzehn war, erschien ihre erste Kurzgeschichte für Erwachsene. Seit 1958 lebt Gina Ruck-PauquŠt, die mit einem Journalisten verheiratet war, als freie Schriftstellerin in der Nähe von Bad Tölz. Vom Ravensburger Buchverlag hat sie 1977 für eine Million verkaufte Exemplare das Goldene Taschenbuch erhalten. Schreiben, sagt Gina Ruck-PauquŠt, ist eine Lebensäußerung für sie. In den meisten Büchern greift sie das Problem des Andersseins auf; sie nimmt Partei für diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Mit ihrer Fähigkeit, sich ganz in eine andere Person hineinzuversetzen, hilft sie dem Leser, diesen anderen besser zu verstehen.