Produktbeschreibung
Über mehrere Jahre führt ein Bäckerjunge in Damaskus ein Tagebuch. Es gibt
viel Schönes, Poetisches und Lustiges zu berichten aus der Stadt, in der
Menschen so vieler Nationalitäten miteinander leben: Vom alten Kutscher
und Geschichtenerzähler Salim, von seiner Liebe zu Nadja und vom Basar,
auf dem die Mutter Meisterin im Handeln ist. Aber es gibt auch Armut, Ungerechtigkeit
und politische Verfolgung in der Stadt. Der Bäckerjunge wird zum Journalisten
- im Untergrund.
Leseprobe
12.1.
»Schade, daß ich nicht schreiben kann. Ich habe viel
erlebt, und es war wichtig. Heute weiß ich nicht mehr,
was mich vor Jahren nächtelang nicht schlafen ließ.«
»Du weißt doch eine Menge, Onkel«, tröstete
ich Onkel Salim.
»Nein, mein Freund«, sagte er. »Von der Landschaft
bleiben nur die Berge und später nur noch die Gipfel sichtbar,
und das Ganze taucht im Nebel unter. Hätte ich schreiben
gelernt, könnte ich nicht nur die Berge, Felder und Täler
sehen, sondern jeden Stachel einer Rose wiedererkennen. Was für
großartige Menschen sind doch diese Chinesen!«
Ich wunderte mich, daß Onkel Salim auf einmal bei den Chinesen
gelandet war. Als ich ihn deswegen fragte, erklärte er mir:
»Die Chinesen haben es mit der Erfindung des Papiers möglich
gemacht, daß die Kunst des Lesens und Schreibens für
jedermann zugänglich wurde. Sie brachten die Schrift von
den Tempeln der Gelehrten und den Palästen der Könige
auf die Straße. Sie sind großartig.«
Also beschloß ich nach dem Tee bei Onkel Salim, ein Tagebuch
zu führen. Ich vergesse viel. Ich weiß nicht einmal
mehr den Namen der Mutter meiner ersten Freundin Samira. Mein
Kopf ist wie ein Sieb.
Jeden Tag will ich schreiben!
21.1.
Heute habe ich meinem Vater in der Bäckerei geholfen. Zwei
Arbeiter fehlten. So mußte er allein den Teig kneten und
formen und dann noch hinter dem Ofen stehen. Ich machte die Kasse.
Die Kunden bringen in der Regel ihre Einkaufstaschen mit. Wer
sie vergißt, bekommt das Brot in eine Zeitung eingewickelt.
Am frühen Nachmittag hatte ich Ruhe. Ich nahm eine Zeitung
und las etwas.....
Autoreninfo
Rafik Schami, geboren 1946 in Damaskus, siedelte 1971 in die Bundesrepublik Deutschland über. Er promovierte in Chemie. Seit 1982 ist er freier Schriftsteller und lebt in Marnheim/Pfalz. Für sein literarisches Werk erhielt er viele wichtige Auszeichnungen, u.a. den Adalbert-von-Chamisso-Preis, den Hermann-Hesse-Preis und den Großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Seine Werke, darunter die Romane ¯Eine Hand voller Sterne®, ¯Erzähler der Nacht® und ¯Der ehrliche Lügner®, wurden vielfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt.