Produktbeschreibung
Immer wieder hat die Gestalt der Jean d'Arc Dichter veranlasst, sich mit ihr zu befassen. Die 17-jährige Johanna, um die sich die Kräfte einer nationalen Bewegung konzentrieren, rettet Frankreich nach langem Krieg mit England. Um die entscheidenden Ereignisse dieser Erhebung, die Entsetzung der Stadt Orleans (1429) und die Krönung des Dauphin in Reims (16. Juli 1430), baut Schiller sein Drama. Ihm geht es dabei um den Konflikt, in den die Jungfrau, die für die grosse Aufgabe frei sein muss von menschlichen Gefühlen, gerät. In dem Augenblick, wo sie Lionel, ihren Feind, liebt, erlischt ihre Kraft: Sie wird durch die Engländer gefangen genommen und als Ketzerin verbrannt. Jahrzehnte später erfährt der Prozess eine Revision, und aus der Ketzerin wird eine Heilige. Auf die spöttelnde Behandlung, die der geschichtlich überlieferte Stoff durch Voltaire erfuhr, entgegnete Schiller zunächst mit seinem Gedicht: "Das Mädchen von Orleans". Es ist im Anhang abgedruckt. Weiter sind enthalten ein Nachwort und Ausführungen zur Textgeschichte und -gestaltung sowie ausführliche Anmerkungen.
Leseprobe
Thibaut d'Arc. Seine drei Töchter.
Drei junge Schäfer, ihre Freier
Thibaut. Ja, liebe Nachbarn! Heute sind wir noch
Franzosen, freie Bürger noch und Herren
Des alten Bodens, den die Väter pflügten;
Denn aller Orten läßt der Engelländer
Sein sieghaft Banner fliegen, seine Rosse
Zerstampfen Frankreich blühende Gefilde.
Paris hat ihn als Sieger schon empfangen,
Und mit der alten Krone Dagoberts
Schmückt es den Sprößling eines fremden Stamms.
Der Enkel unsrer Könige muß irren
Enterbt und flüchtig durch sein eignes Reich,
Und wider ihn im Heer der Feinde kämpft
Sein nächster Vetter und sein erster Pair,
Ja seine Rabenmutter führt es an
Rings brennen Dörfer, Städte. Näher stets
Und näher wälzt sich der Verheerung Rauch
An die Täler, die noch friedlich ruhn.
- Drum, liebe Nachbarn, hab' ich mich mit Gott
Die Töchter zu versorgen; denn das Weib
Bedarf in Kriegesnöten des Beschützers,
Und treue Lieb' hilft alle Lasten heben.
(Zu dem ersten Schäfer)
- Kommt, Etienne! Ihr werbt um meine Margot.
Die Äcker grenzen nachbarlich zusammen,
Die Herzen stimmen überein - das stiftet
Ein gutes Ehband!
(Zu dem zweiten)
Claude Marie! Ihr schweigt,
Und meine Louison schlägt die Augen nieder?
Werd' ich zwei Herzen trennen, die sich fanden,
Weil Ihr nicht Schätze mir zu bieten habt?
Wer hat jetzt Schätze? Haus und Scheune sind
Des nächsten Feindes oder Feuers Raub -
Die treue Brust des braven Manns allein
Ist ein sturmfestes Dach in diesen Zeiten.
Autoreninfo
Friedrich von Schiller (1759-1805) lebte nach seiner Flucht aus Würtemberg seit 1782 in Sachsen, wo er zum Professor der Philosophie ernannt wurde. In seinen Werken befaßt er sich immer wieder mit dem Urkonflikt, von Trieb und Geist, von Neigung und Pflicht.