Produktbeschreibung
Universal-Bibliothek
Seumes Mein Leben zählt, so kurz und fragmentarisch
der Text auch ist, zu den berühmten Autobiographien der Goethezeit.
Den Lebenserinnerungen des Bauernsohns, des Öffiziers niederen
Ranges, des späteren Sprachlehrers und Schriftstellers Seume
fehlt alles Intime, Stimmungen in der Erinnerung Auskostende.
Seume liefert keine psychologisierende Selbstzergliederung, sondern
ein knpp und klares Porträt.
Leseprobe
Veritatem sequi et colere, tueri justitiam, omnibus aeque bene
velle ac facere, nil extimescere.
Das Mißliche einer Selbstbiographie kenne ich so gut als
sonst irgend jemand; und ich halte mich für nicht wichtig
genug, daß überhaupt mein Leben beschrieben werde.
Wenigstens wäre es nach vierzig Jahren noch Zeit genug. Ein
angesehener Buchhändler bot mir vor einigen Jahren, als die
Aspekten am literarischen Himmel noch besser standen, eine beträchtliche
Summe, wenn ich ihm die psychologische Geschichte meiner Bildung
schreiben wollte. Ich gebe mich aber nicht gern zu dergleichen
Spekulationen her; und es geht etwas wider mein Wesen, auf meine
Kosten, vielleicht etwas eigentümlich, einige allgemeine
Wahrheiten zu sagen, die die eine Hälfte längst weiß
und die andere Hälfte nicht wissen will. Folgendes hat mich
indessen bestimmt, etwas über mich selbst zu sagen. Schon
Herder, Gleim, Schiller und Weiße und mehrere noch Lebende
haben mich aufgemuntert, nach meiner Weise die Umstände meines
Lebens, das sie wohl für wichtiger hielten, als es war, schriftlich
niederzulegen. Ich glaubte, das wäre im achtzigsten Jahre
noch frühe genug: aber meine jetzigen Gesundheitsumstände
erinnern mich es nicht zu verschieben, wenn es geschehen soll.
Mehrere meiner Freunde drohen mir, wahrscheinlich genug, daß
ich auf alle Fälle einem Biographen doch nicht entgehen würde:
und da fürchte ich denn, einem Sudler oder Hyperkritiker
oder gar einem schalen geschmacklosen Lobpreiser in die Hände
zu fallen. Niemand kann doch besser wissen, was an und in ihm
ist, als der Mann selbst, wenn er nur redliche Unbefangenheit
und Kraft genug hat, sich zu zeigen wie er ist. Ich überlasse
es jedem, der etwas von mir weiß, zu urteilen, ob das, was
er von mir weiß, das Gepräge dieser Unbefangenheit
und dieser Kraft trägt...
Autoreninfo
Johann Gottfried Seume (1763-1810), der Mann aus dem Volke, hat mehr als eine gefahrvolle Reise in seinem Leben gemacht - die weiteste nach Amerika, wohin er als Soldat zwangsverschifft wurde. Nach der Desertion gelangte er auf Umwegen wieder in seine sächsische Heimat, später nach Polen, Rußland, Finnland und Schweden.