Produktbeschreibung
Einleitend postuliert Bettelheim die Analogie von Märchen und Psychoanalyse,
wobei er sich an Sigmund R Freud (1856-1939) orientiert. Der erste Teil
des Buchs unterscheidet zwischen Märchen einerseits, Fabel, Mythos und
Sage andererseits und begründet die Notwendigkeit des Zauberhaften für
das Kind. Der zweite Teil konzentriert sich auf die exemplarische psychoanalytische
Dechiffrierung ausgewählter Märchen wie Hänsel und Gretel (Überwindung
ungezügelter oraler Befriedigung, Doppelgestalt Mutter/Hexe), Schneewittchen
(Überwindung des kindlichen Narzissmus, Probleme der Adoleszenz, wobei
die Zwerge als Phallussymbole fungieren), Rotkäppchen (Pubertät), Dornröschen
(>>Fluch<< der Menstruation) und Aschenputtel (Rivalität unter Geschwistern).
Neben Volksmärchen in der Überlieferung durch Charles Perrault (1628 bis
1703) und die Brüder Jacob und Wilhelm R Grimm werden antike Märchen (Amor
und Psyche) und die arabischen Märchen aus R Tausendundeiner Nacht herangezogen,
um auf vielfältige Weise zu illustrieren: Märchen führen stets zu einem
guten Ende, spenden Trost und weisen Wege im Ringen um den Sinn des Lebens.
Zusammenfassung
»Kinder brauchen Märchen« ist ein Plädoyer,
Kinder so zu akzeptieren, wie sie sind, und ihnen zu geben, was
sie brauchen. Das Problem, den Sinn im eigenen Leben immer neu
zu finden, ein Problem von Erwachsenen und Kindern, durchzieht
wie ein roter Faden das ganze Buch. Darum, ist es nicht nur ein
Appell, Kindern Märchen zu erzählen . . ., sondern.
zugleich ein Märchenbuch, für Erwachsene geworden.
Es ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil steht das, Kind
im Mittelpunkt, und es wird in vielfältiger Weise dargestellt
wie Märchenbilder und -symbole der unbewußten beziehungsweise
unterbewußten inneren Realität des Kindes entsprechen
können; daß sie ihm darum Hilfe, Anregung, Trost und
Mut in einer Weise vermitteln, die es unmittelbar versteht. Im
zweiten Teil werden die wesentlichen Aussagen einzelner Märchen
und Märchengruppen analysiert. In beiden Teilen grenzt Bettelheim
das Volksmärchen ab vom Kunstmärchen, von Heile-Welt-Kindergeschichten,
Fabeln- und Sagen: Soll eine Geschichte ein Kind fesseln, schreibt
er, so muß sie es unterhalten und seine Neugier wecken.
Um aber sein Leben zu bereichern, muß sie seine Phantasie
anregen und ihm helfen, seine Verstandeskräfte zu entwickeln
und seine Emotionen zu klären. Sie muß auf seine Ängste
und Sehnsüchte abgestimmt sein, seine Schwierigkeiten aufgreifen
und zugleich Lösungen für seine Probleme anbieten.
Kurz: sie muß sich auf alle Persönlichkeitsaspekte
beziehen. Dabei darf sie die kindlichen Nöte nicht verniedlichen;
sie muß sie in ihrer Schwere ernst nehmen und gleichzeitig
das Vertrauen des Kindes in sich selbst und in seine Zukunft stärken.
Alle diese Voraussetzungen erfüllen, wie Bettelheim nachweist,
die Märchen.« (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)
Autoreninfo
Bruno Bettelheim wurde 1903 in Wien geboren, promovierte an der dortigen Universität und emigrierte, nach einem Jahr in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald, 1939 in die Vereinigten Staaten. Er war Gründer und langjähriger Leiter der Orthogenetic School, einer Anstalt für schwer gestörte Kinder. Bruno Bettelheim starb am 13. März 1990.