Produktbeschreibung
Mit dieser Tragödie schuf Sophokles Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christi Geburt das erste Konfliktdrama der Weltliteratur, dessen Wirkung bis heute unübertroffen ist. Antigone gehorcht nicht dem Befehl des Königs, ihres Oheims Kreon, sondern dem Gebot der Götter. Sie bestattet ihren gefallenen Bruder Polyneikes, der als Verräter galt. Zu spät begnadigt der König seine Nichte, die sich selbst bereits das Leben genommen hat.
Leseprobe
Vor dem Königspalast in Theben. Links eine tempelartige
Kapelle des Bakchos mit einer bekränzten Statue dieses Gottes.
Altäre zu beiden Seiten. Frühe Morgendämmerung;
neben den Doppeltüren des Palastes sowie zu beiden Seiten
der Kapelle brennen noch Fackeln und Ölflammen. Während
der folgenden Szene erhellt sich die Bühne mehr und mehr.
Antigone und Ismene treten durch die für den Zuschauer rechts
befindliche, zu den Frauengemächern führende Tür
der hinteren Bühnenwand auf die Bühne.
Antigone. Ismene.
ANTIGONE. Ismene, trautes schwesterlich verbundnes Haupt,
Kennst du ein Leid, vom Vater schon verschuldet, das
Nicht Zeus schon während unsres Lebens uns verhängt?
Denn keinen Jammer gibt es, nichts Entsetzliches,
Nichts Arges, nichts Schmachvolles, das ich nicht bereits
In deiner Not gesehen und in meiner Not.
Und welche Botschaft, heißt es, ließ jetzt eben erst
Der Herrscher wieder allem Volk verkündigen?
Weißt du's, vernahmst du's, oder blieb dir unbekannt,
Daß unsern Lieben Böses von den Feinden naht?
ISMENE schwermütig.
Zu mir drang keine Kunde noch, Antigone,
Von unsern Lieben, frohe nicht, noch traurige,
Seitdem das Paar der Brüder uns entrissen ward,
An einem Tage fallend durch zwiefachen Mord,
Und seit in dieser jüngsten Nacht sich Argos'Heer
Zur Flucht gewendet, wurde mir nichts weiter kund,
Nicht, ob mir mehr des Glückes, ob des Leides ward.
ANTIGONE. Ich ahnt'es wohl und führte deshalb dich heraus
Zum Tor des Hofes, dir allein es kundzutun.
ISMENE. Was hast du? Sichtbar wogt in dir ein schweres Wort.
ANTIGONE. Hat Kreon nicht dem einen Bruder nur gegönnt
Des Grabes Ehre, jenem schmachvoll sie versagt?
Den Eteokles hat er, wie man sagt, gerecht
Gerechter Ordnung huld'gend, in der Erde Schoß
Geborgen, daß ihm Ehre sei im Totenreich;
Doch Polynelkes jammervoll entseelten Leib
Verbot er, heißt es, allem Volk durch lauten Ruf
Im Grab zu bergen und um ihn zu klagen; nein,
Daliegen soll er unbeweint, grablos, ein Mahl
Den Vögeln, die schon auf das Mahl herniederschaun.
Und solches, sagt man, ließ der edle Kreon dir
Und mir, ich sage mir sogar, verkündigen;
Autoreninfo
Sophokles wurde 496 v. Chr. im attischen Demos Kolonos als Sohn eines wohlhabenden Unternehmers geboren. Er genoss eine sehr gute Erziehung und Ausbildung, verkehrte in Intellektuellenkreisen, übernahm bald verschiedene politische Ämter und wirkte im kulturellen und politischen Leben Athens mit.
Bereits als 25-jähriger gewann Sophokles die Dionysien, ein Wettstreit zwischen Dichtern im Dionysostheater, mit seiner Tetralogie Triptolemos . Auch seine weiteren Stücke wie Antigone , Philoktet und Ödipus wurden zu großen Erfolgen. Von seinem äußerst umfangreichen Werk sind leider nur sieben Tragödien überliefert. Sophokles gilt als Neuerfinder der attischen Tragödie: er führte den dritten Schauspieler ein, die Schauspieler für seine Stücke wurden passend zur Rolle ausgewählt, er erhöhte die Zahl der Chorsänger von 12 auf 15 und integrierte den Chor in das Stück, und außerdem wurde zum ersten Mal die Handlung durch Bühnenbilder verdeutlicht. Durch diese Neurungen wurde das Schauspiel lebendiger, spannender und dramatischer. Erstmals bei Sophokles wird der Mensch als Individuum mit all seinen Fehlern und die Götter nicht mehr nur verehrend dargestellt. Er gilt als Meister der tragischen Ironie, der gedanklichen Tiefe und sprachlichen Ausdruckskraft.
Im Alter von etwa neunzig Jahren ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Kurz nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren eine Statue im Dionysostheater aufgestellt.