Produktbeschreibung
Diese Sammlung mit "Weihnachtsgeschichten" von Theodor Storm beinhaltet vier Geschichten und vier Gedichte. Das Gedicht "Zum Weihnachten" entstand um die Weihnachtszeit 1837 und die Gedichte "Weihnachtsabend" (1843) und "Weihnachtslied" (1846) sind erfüllt von Kindheitserinnerungen Storms. Die Geschichte "Marthe und ihre Uhr" entstammt der Freundschaft mit einer alten Dame. Episoden aus Storm Studentenzeit nimmt "Da stand das Kind am Wege" auf. Es stammt aus der Novelle "Immensee" (1849). Das Gedicht "Weihnachtsabend" (1852/53) entstand in Folge der Vertreibung Storms aus Schleswig-Holstein. "Unter dem Tannenbaum" (1862) schrieb Storm in der Zeit seines Exils. Die Novelle "Abseits" (1862) schließlich entstand aus der gegenwärtigen politischen Situation heraus. Für Storm hat Weihnachten stets eine besondere Rolle in seinem Leben gespielt. Seine Tochter Gertrud Storm sagte über ihn: "Unser Vater war ein echter, rechter Weihnachtsmann, er wusste jedes Fest erst recht zu einem Feste zu gestalten. Den ganzen Zauber seiner Kindheit wusste er in unsere Weihnacht zu übertragen. Uns so feierten auch wir, seine Kinder, unsere Weihnachtsfeste ganz im Sinne unseres Vaters. Der Weihnachtsbaum wird genau so geschmückt, wie er einst ihm geschmückt wurde, die Kuchen nach den althergebrachten Familienrezepten gebacken, wie sie schon sein Kinderherz entzückten."
Leseprobe
Eine Dämmerstunde
Es war das Arbeitszimmer eines Beamten. Der Eigentümer,
ein Mann in den Vierzigern, mit scharf ausgeprägten Gesichtszügen,
aber milden, lichtblauen Augen unter dem schlichten, hellblonden
Haar, saß an einem mit Büchern und Papieren bedeckten
Schreibtisch, damit beschäftigt, einzelne Schriftstücke
zu unterzeichnen, welche der danebenstehende alte Amtsbote ihm
überreichte. Die Nachmittagssonne des Dezembers beleuchtete
eben mit ihrem letzten Strahl das große schwarze Dintenfaß,
in das er dann und wann die Feder tauchte. Endlich war alles
unterschrieben.
"Haben Herr Amtsrichter sonst noch etwas?" fragte der
Bote, indem er die Papiere zusammenlegte.
"Nein, ich danke Ihnen. "
"So habe ich die Ehre, vergnügte Weihnachten zu wünschen.
"
"Auch Ihnen, lieber Erdmann. "
Der Bote sprach einen der mitteldeutschen Dialekte; in dem Tone
des Amtsrichters war etwas von der Härte jenes nördlichsten
deutschen Volksstammes, der vor wenigen Jahren, und diesmal vergeblich,
in einem seiner alten Kämpfe mit dem fremden Nachbarvolk
geblutet hatte. - Als sein Untergebener sich entfernte, nahm er
unter den Papieren einen angefangenen Brief hervor und schrieb
langsam daran weiter.
Die Schatten im Zimmer fielen immer tiefer. Er sah nicht die
schlanke Frauengestalt, die hinter ihm mit leisen Schritten durch
die Tür getreten war; er bemerkte es erst, als sie den Arm
um seine Schulter legte. - Auch ihr Antlitz war nicht mehr jung;
aber in ihren Augen war noch jener Ausdruck von Mädchenhaftigkeit,
den man bei Frauen, die sich geliebt wissen, auch noch nach der
ersten Jugend findet. "Schreibst du an meinen Bruder? "
fragte sie, und in ihrer Stimme, nur etwas mehr gemildert, war
dieselbe Klangfarbe wie in der ihres Mannes.
Er nickte. "Lies nur selbst! " sagte er, indem er die
Feder fortlegte und zu ihr emporsah.
Autoreninfo
Theodor Storm (1817-1888) zählt noch heute zu den beliebtesten Dichtern aus dem 19. Jahrhundert. Er schreibt von der grauen Stadt am Meer - seiner Heimatstadt Husum -, von ihren Patriziern, ihren "kleinen Leuten" und deren Ränken und Nöten, er schreibt Familiengeschichten, er schreibt zarte Geschichten von beginnender Liebe und Geschichten von lebenslanger herzlicher Gemeinschaft. Anders als viele seiner Zeitgenossen ist Storm kein volkstümelnder Neo-Romantiker, sondern steht ganz in der Realität des Zusammenpralls der alten mit der neuen Zeit.