Produktbeschreibung
Mit dem Roman »Das Einhorn« - dem zweiten Teil der Trilogie Anselm Kristlein, die mit dem Sturz abgeschlossen wurde - hat Walser einen Liebesroman und gleichzeitig dessen Entstehungsgeschichte geschrieben. Der Vertreter und Werbemann Anselm Kristlein der »Halbzeit« ist Schriftsteller geworden. Er erhält den Auftrag, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Sich selbst macht er zum Helden des Romans. Die literarische Erinnerung wird ihm zur Reise in die Wirklichkeit: Tätigkeiten, Orte und Personen aus seiner Vergangenheit tauchen auf. Vor allem aber Frauen, die ihn von sich selbst ablenken, die seine Erwartungen, das Einhorn, übermächtig werden lassen. Die Niederschrift seiner Frauenbekanntschaften sind Einübungen in die Darstellung des Erlebnisses, das sich nicht erzählen läßt, der Begegnung mit Orli. Fern von ihr, daheim im Bett, prüft Anselm seine Erinnerungen, prüft, was von jener Orli noch übrigblieb. Das Schreiben bestätigt den Verlust, die verlorene Zeit bleibt verloren. Und die Suche nach »Wörtern für Liebe« gerät zum Nachruf auf das Unwiederbringliche - einer natürlichen Form des Liebesromans.
Zusammenfassung
Mit dem Roman Das Einhorn - dem zweiten Teil der Trilogie
Anselm Kristlein, die mit dem Sturz abgeschlossen wurde - hat
Walser einen Liebesroman und gleichzeitig dessen Entstehungsgeschichte
geschrieben. Der Vertreter und Werbemann Anselm Kristlein der
Halbzeit ist Schriftsteller geworden. Er erhält den
Auftrag, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Sich selbst
macht er zum Helden des Romans. Die literarische Erinnerung wird
ihm zur Reise in die Wirklichkeit: Tätigkeiten, Orte und
Personen aus seiner Vergangenheit tauchen auf. Vor allem aber
Frauen, die ihn von sich selbst ablenken, die seine Erwartung,
das Einhorn, übermächtig werden lassen. Die Niederschrift
seiner Frauenbekanntschaften sind Einübungen in die Darstellung
des Erlebnisses, das sich nicht erzählen läßt,
der Begegnung mit Orli. Fern von ihr, daheim im Bett, prüft
Anselm seine Erinnerung, prüft, was von jener Orli noch übrigblieb.
Das Schreiben bestätigt den Verlust, die verlorene Zeit bleibt
verloren. Und die Suche nach »Wörtern für Liebe«
gerät zum Nachruf auf das Unwiederbringliche - einer natürlichen
Form des Liebesromans.
Leseprobe
Ich liege. Ja. Ich liege. Ich hätte diesen Umstand lieber
verschwiegen. Aber es fehlt mir offenbar an Macht über mich
selbst. Ich liege. Schüchternheit, Klugheit rief ich zur
Hilfe gegen das schmächtig schrille Sätzchen. Ich liege.
Mit Stottern und Zögern scheuchte ich den dünnen Verratsschrei
zurück. Aber die dumme Bekenntnissucht war nicht zu bändigen.
Ich liege. Protegiert von meinen niedrigsten Fähigkeiten,
wurde das Sätzchen immer frecher, radierte rabiat in mir
herum, kratzte als Hustenreiz, boxte als überreife Schwangerschaft,
machte mir Enge und Ohrensausen und klopfte mich ab nach der durchlässigen
Stelle. In der Hoffnung auf regelmäßige Atmung gebe
ich nach, lasse es zur Welt kommen als das schlecht pfeifende
Satzgeräusch, das mich denunziert. Ich liege. Ja-ja, wir
wissen es jetzt. Der säuerliche Geständnisgeruch ist
durchdringend geworden. Wer denkt jetzt nicht an gebrochene Milch!
Wer wirft mich jetzt nicht zu den verschwitzten Klaustrophilen!
Und ich wäre doch viel lieber herrlich aufgetreten. In einer
Luft aus Seide, zum Beispiel. Wehend. Auf ein Banner gestickt.
Aber ich liege. Das ist ein Geständnis, weil ich mich nicht
rühmen kann, an einer phantastischen Weltstelle zu liegen.
Ich liege leider nicht im absoluten Sand, wese nicht in theologischem
Exkrement, bin kein radikales Wrack, beiße nicht in die
interessante Luft der langen Weile, bin nicht einmal ein kaltes
lustiges Ungetüm, strotze nicht vor Sonderbarkeit, bin also
keine Fleisch und Wort und Wortfleisch gewordene Geißel,
an deren Schlägen sich jeder laben kann. Ich liege lediglich
in meinem eigenen Bett, das im fünften Stock eines Mietshauses
steht. Das Mietshaus ist zwar gelb, steht aber in München.
Die Straße heißt allerdings Marsstraße. Und
der fünfte Stock, sagt man mir, war immerhin einmal ein Dachboden
und wurde bewohnbar gemacht erst nach dem Krieg. Aber jede Aussicht
auf ein wenig Sonderbarkeit wird gleich wieder vernichtet, wenn
ich, wie ich wohl muß, jetzt mitteile, daß mein Bett
nicht allein im Zimmer steht, allein Oberhaupt nicht möglich
ist, weil es gedacht und hergestellt ist als die linke Hälfte
eines Bettzwillings, den man Ehebett nennt. ...
Autoreninfo
Martin Walser, 1927 in Wasserburg (Bodensee) geboren, lebt heute in Nußdorf (Bodensee). 1957 erhielt er den Hermann-Hesse-Preis, 1962 den Gerhart-Hauptmann-Preis und 1965 den Schiller-Gedächtnis-Förderpreis. 1981 wurde Martin Walser mit dem Georg-Büchner-Preis, 1996 mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg und 1998 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.