Produktbeschreibung
Xaver Zürn, Chauffeur des Fabrikanten Dr. Gleitze, möchte während der stundenlangen Fahrten gar zu gern einmal ein privates Gespräch mit seinem Chef führen. Aber dazu kommt es nicht. Dr. Gleitze redet entweder selbst oder er hört über Kopfhörer Mozartkonzerte, über die er ein Standardwerk zu schreiben gedenkt. Xaver Zürn leidet schließlich schwer an enttäuschter Erwartung, körperlich wie seelisch, verhält sich auffällig und wird in die Werkstatt verbannt. Das Buch, dessen Hauptmotiv Abhängigkeit, Eltern-Kind-Beziehungen, Ehe und Heimat sind, hat trotzdem einen versöhnlichen Schluß.
Zusammenfassung
Xaver Zürn, Chauffeur des Fabrikanten Dr. Gleitze, möchte
während der stundenlangen Fahrten gar zu gern einmal ein
privates Gespräch mit seinem Chef führen. Aber dazu
kommt es nicht. Dr. Gleitze redet entweder selbst oder er hört
über Kopfhörer Mozartkonzerte, über die er ein
Standardwerk zu schreiben gedenkt. Xaver Zürn leidet schließlich
schwer an enttäuschter Erwartung, körperlich wie seelisch,
verhält sich auffällig und wird in die Werkstatt verbannt.
Das Buch, dessen Hauptmotiv Abhängigkeit, Eltern-Kind-Beziehungen,
Ehe und Heimat sind, hat trotzdem einen versöhnlichen Schluß.
»Wie sich hier Wahrheit, extreme Situationsanordnung, Hypochondrie
und Glückstraum mischen, so stehen im Stil Walsers die genaue
Beobachtung, die witzige Zuspitzung, die rauschhafte Übertreibung
und die Formel, auf die dann alles gebracht wird, nebeneinander.
Mühelos verbindet er Spoerl, Woody Allen, Bloch, die Protestbewegung
und Heimatliebe. Man begegnet hier Erfahrungsberichten, Krisen-
und Seelenmomenten, die von zugleich niederschmetternd genauer
und hinreißend kollektivautobiographischer Wahrhaftigkeit
sind.«
Leseprobe
Xaver griff nach dem leisen, unerträglichen Weckergeräusch
und stellte es ab. Von hinten legte sich die Hand seiner Frau
auf seine Schulter, um die Arbeit des Weckers zu vollenden. Xaver
spürte, wie es ihn zusammenzog. Stirn und Knie strebten einander
zu. Die Hand seiner Frau rutschte auf seinem Rücken abwärts.
Sie fragte flüsternd: Was ist? Er griff nach ihrer Hand.
Sagen konnte er nichts.
Ich habe Bauchweh. Er haßte diesen Satz. Diesen Kindersatz.
Ich habe Schmerzen. Das klang zu groß. Agnes würde
erschrecken. Geh-doch-endlich-zum-Doktor. Mehr konnte sie auch
nicht sagen. Und was konnte der sagen? Die erste Frage, die Dr.
Meichle jedem stellte, der sich auf den weißen Stuhl vor
seinem Schreibtisch setzte, war: Fühlen Sie sich krank? Fast
jeder, der bei Gleitze arbeitete, kannte die Dr. Meichle-Frage
Fühlen-Sie-sich-krank. Man rief sie einander im Spaß
zu; genau in Dr. Meichles Tonfall; krank mußte dabei
so gesagt werden, daß das a praktisch fehlte; dafür
durfte das n voll und lang durch die Nase getönt werden.
Wenn man dann wieder vor Dr. Meichle saß und sein Fühlen-Sie-sich-krank
hörte, mußte man zugeben, daß alle Nachahmungen
dieses Satzes völlig unzureichend waren. Man saß, als
hätte man die Frage noch nie gehört, und spürte,
welche Verantwortung man mit der Antwort auf sich nehmen werde.
Wenn man, zum Beispiel, nichts als Bauchweh hatte, sich im übrigen
aber gesund fühlte, dann konnte man die Doktor-Frage nur
mit Nein beantworten. Ein versuchtes Zögern nahm Dr. Meichle
nicht zur Kenntnis. Seine Erfahrung sagte ihm wohl, daß
es am besten für den Patienten sei, bei der Behandlung entweder
von einem Ja oder von einem Nein auszugehen. Natürlich hatte
Xaver die Doktor-Frage auch einmal mit Ich-habe-Bauchweh beantwortet.
...
Autoreninfo
Martin Walser, 1927 in Wasserburg (Bodensee) geboren, lebt heute in Nußdorf (Bodensee). 1957 erhielt er den Hermann-Hesse-Preis, 1962 den Gerhart-Hauptmann-Preis und 1965 den Schiller-Gedächtnis-Förderpreis. 1981 wurde Martin Walser mit dem Georg-Büchner-Preis, 1996 mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg und 1998 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.