Produktbeschreibung
Wie sein Verfasser ist der Held des Buches, Simon Tanner, besessen von einem unbändigen Freiheitsdrang und betrachtet die Welt und die Menschen ganz unbefangen, nicht mit einem »verbildeten, verstopften Kopf«. Das bringt ihn in die kuriosesten Konflikte mit der Welt der Konventionen, mit den Angepaßten, den von Karriere und Konkurrenz Kompromittierten.
Zusammenfassung
Robert Walser gehört zu den Autoren der klassischen Moderne.
Geschwister Tanner ist sein erster und zugleich sein unbeschwertester
Roman. Wie sein Verfasser ist der Held des Buches, Simon Tanner,
besessen von einem unbändigen Freiheitsdrang und betrachtet
die Welt und die Menschen ganz unbefangen, nicht mit einem »verbildeten,
verstopften Kopf«. Das bringt ihn in die kuriosesten Konflikte
mit der Welt der Konventionen, mit den Angepaßten, den von
Karriere und Konkurrenz Kompromittierten. Durch seine Arglosigkeit
provoziert er sie und beschämt sie durch das, was sie verloren
haben: Phantasie, Humor, gesunden Menschenverstand und materielle
Unbestechlichkeit.
Leseprobe
Eines Morgens trat ein junger, knabenhafter Mann bei einem Buchhändler
ein und bat, daß man ihn dem Prinzipal vorstellen möge.
Man tat, was er wünschte. Der Buchhändler, ein alter
Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen, sah den etwas schüchtern
vor ihm Stehenden scharf an und forderte ihn auf, zu sprechen.
»Ich will Buchhändler werden«, sagte der jugendliche
Anfänger, »ich habe Sehnsucht danach und ich weiß
nicht, was mich davon abhalten könnte, mein Vorhaben ins
Werk zu setzen. Unter dem Buchhandel stellte ich mir von eher
etwas Entzückendes vor und ich verstehe nicht, warum ich
immer noch außerhalb dieses Lieblichen und Schönen
schmachten muß. Sehen Sie, mein Herr, ich komme mir, so
wie ich jetzt vor Ihnen dastehe, außerordentlich dazu geeignet
vor, Bücher aus Ihrem Laden zu verkaufen, so viele, als Sie
nur wünschen können zu verkaufen. Ich bin der geborene
Verkäufer: galant, hurtig, höflich, schnell, kurzangebunden,
raschentschlossen, rechnerisch, aufmerksam, ehrlich und doch nicht
so dumm ehrlich, wie ich vielleicht aussehe. Ich kann Preise
herabsetzen, wenn ich einen armen Teufel von Studenten vor mir
habe, und kann Preise hochschrauben, um den reichen Leuten ein
Wohlgefallen zu erweisen, von denen ich annehmen muß, daß
sie manches Mal nicht wissen, was sie mit dem Geld anfangen sollen.
Ich glaube, so jung ich noch bin, einige Menschenkenntnis zu
besitzen, außerdem liebe ich die Menschen, so verschiedenartig
sie auch sein mögen; ich werde also meine Kenntnis der Menschen
nie in den Dienst der Übervorteilung stellen...
Autoreninfo
Robert Walser (1878-1956) wurde nach einer Banklehre Verlagsangestellter und später Archivar. Die letzten siebenundzwanzig Jahre seines Lebens verbrachte er in Nervenheilanstalten. Erst nach seinem Tod wurde sein Rang als Romancier und Meister der kleinen und kleinsten Prosakunst ("Aus dem Bleistiftgebiet") erkannt.