Produktbeschreibung
Mit dem Romanfragment >Die schwarze Messe< und der ersten ganz eigenständigen Novelle >Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig< endet dieser Band, der chronologisch geordnet, die Erzählungen Franz Werfels aus den Jahren 1908 bis 1919 sammelt. Diese Zeit war für ihn besonders traumintensiv und zugleich von erwachendem Kritik- und Selbstfindungsbedürfnis und -bewußtsein bestimmt. So bleibt das autobiographische Element in diesen Texten deutlich. Zunächst mag die überbordende Phantasie für Werfel nicht zähmbar zu sein scheinen, anfangs mag er noch wirken wie ein »Wanderer, der allenthalben von der Hauptstraße abkommt, weil er der Verlockung der Seitenwege nicht widerstehen kann« (Franz Brunner), aber allmählich wird er immer konzentrierter und formbewußter. Märchen, Phantasie, Novelle sind die Gattungsbezeichnungen neben Skizzen, Legenden und Fragment gebliebenen Romanversuchen. Ihre Themen und Bild-Ideen, die Werfel später in seinen großen Romanen wieder aufgriff, kreisen um das Individuum, den einzelnen, vielfach Versuchungen ausgesetzten Menschen: Magie und Musik, Jahrmarkt und Theater, Mythos und Leben, Schein und Wirklichkeit.
Zusammenfassung
Mit dem Romanfragment »Die schwarze Messe« und der ersten
ganz eigenständigen Novelle »Nicht der Mörder,
der Ermordete ist schuldig« endet dieser Band, der, chronologisch
geordnet, die Erzählungen Franz Werfels aus den Jahren 1908
bis 1919 sammelt. Diese Zeit war für ihn besonders traumintensiv
und zugleich von erwachendem Kritik- und Selbstfindungsbedürfnis
und -bewußtsein bestimmt. So bleibt das autobiographische
Element in diesen Texten deutlich. Zunächst mag die überbordende
Phantasie für Werfel nicht zähmbar zu sein scheinen,
anfangs mag er noch wirken wie ein »Wanderer, der allenthalben
von der Hauptstraße abkommt, weil er der Verlockung der
Seitenwege nicht widerstehen kann« (Franz Brunner), aber
allmählich wird er immer konzentrierter und formbewußter.
Märchen, Phantasie, Novelle sind die Gattungsbezeichnungen
neben Skizzen, Legenden und Fragment gebliebenen Romanversuchen.
Ihre Themen und Bild-Ideen, die Werfel später in seinen großen
Romanen wieder aufgriff, kreisen um das Individuum, den einzelnen,
vielfach Versuchungen ausgesetzten Menschen: Magie und Musik,
Jahrmarkt und Theater, Mythos und Leben, Schein und Wirklichkeit.
Leseprobe
Die Katze
Nun muß es doch bald aus sein. Ich fühle zum erstenmal
meine Seele körperlich. - Da unten meine Glieder spüre
ich nicht mehr, Schwester. Die sind mir wie ein Hügelzug,
über dem ich schwebe, sind fest gewachsen, Schwester. Ist
das nicht interessant? Nur mein oberes Leben ist da. Um den Kopf
herum. Die Welle meiner Sehkraft und der anderen Sinne. So stark,
Schwester! Frei und angenehm. Ich rieche nicht mehr durch den
Nebel eines Schnupfens. Ich höre nicht mehr hinter der Mauer
die gleichmäßigen Geräusche. Und wohin ich auch
sehe, habe ich das Gefühl, ganz blaue Augen zu haben. Ist
das nicht merkwürdig. Das Gefühl, blaue Augen zu haben!
Und wie ich rede, mit welch schöner, glänzender Stimme!
Nicht? Und es strengt mich gar nicht an. Bleiben Sie nur ruhig,
liebes Kind. Es strengt mich gar nicht an, das ist ja nicht meine
Stimme. Die kommt nicht aus meiner Kehle. Die spüre ich nicht
im Hals.
Aber jetzt weiß ich, wie den großen Sängern ist,
wenn sie in einem zarten Portamento ertrinken. Göttlich!
Wie? Ich höre mich jetzt so gerne sprechen. Lassen Sie mich
doch.
Daß ich einen großen weißen Backenbart trage,
ist ja nicht wahr? Ich muß ja ein Knabe sein! Was! Ich würde
mich auch gar nicht mehr schämen, wenn Sie jetzt die Decke
aufhöben, Sie Gute, Schöne, und das Tuch glätteten.
Und doch bin ich wiederum verlegen, wenn ich ihren kräftigen,
wohlbedachten und überlegenen Unterarm sehe. Ich glaube,
meine ganz weiche Wange müßte rot werden. Wie empfinde
ich so ephebisch und muß doch immer an Sokrates denken.
Vergeßt nicht den Äskulap. . ., Kiton, waren seine
Beine nicht schon ganz starr und kalt?
Den Raseur müssen Sie aber gewiß noch holen lassen.
Das versprechen Sie mir. Der scheußliche Bart soll hinunter.
Ich trug ihn aus Angst, mein Gesicht zu sehen...
Autoreninfo
Franz Werfel
Am 10.September 1890 wird Franz Werfel in Prag geboren; als Schüler
schreibt er Gedichte und entwirft Dramen. 1914 wird er zum Militärdienst
eingezogen; 1917 begegnet er Alma Mahler-Gropius, mit der er bis
zu seinem Lebensende verbunden bleibt; er siedelt nach Wien über.
Zu dieser Zeit sind bereits mehrere Gedichtbände von ihm
erschienen, hat er kritische Aufsätze veröffentlicht.
1919 folgt seine erste ganz eigenständige Novelle »Nicht
der Mörder, der Ermordete ist schuldig«. 1921 wird sein
Drama »Spiegelmensch« aufgeführt. In den nächsten
Jahren entstehen »Der Tod des Kleinbürgers«, »Kleine
Verhältnisse«, »Der Abituriententag«,»Die
Geschwister von Neapel« und immer wieder Gedichte. 1929 heiratet
er Alma Mahler. 1933 erscheinen »Die vierzig Tage des Musa
Dagh« - eine Mahnung an die Menschlichkeit; im gleichen Jahr
werden seine Bücher in Deutschland verbrannt. 1938, als Hitlers
Truppen in Österreich einmarschieren, hält sich Werfel
in Capri auf - seine Emigration beginnt. 1940 wird er in Paris
an die Spitze der Auslieferungsliste der Deutschen gesetzt. Mit
Alma und einigen Freunden flüchtet er zu Fuß über
die Pyrenäen nach Spanien. »Das Lied von Bernadette«
schreibt er als Dank für seine Errettung. Von Lissabon bringt
sie ein Schiff nach New York. Die letzten Jahre verlebt Werfel
in Los Angeles, Kalifornien. Am 26.August 1945 erliegt er seinem
schweren Herzleiden.