Produktbeschreibung
Hören und Sprechen nicht als Derivat des Geschriebenen zu begreifen, sondern ihm als eigenständiger Form Gehör zu verschaffen - das war von Anfang an das besondere Anliegen von supposé. Mit "Ein Sommer, der bleibt" gehen wir auf diesem Weg einen bedeutenden Schritt weiter: In langen Gespräch-Sessions haben supposé-Betreiber Klaus Sander und der Schriftsteller Peter Kurzeck das bislang weitgehend mit Wissenschaftlern und Philosophen entwickelte Produktionsverfahren der freien Erzählung für die Literatur angewandt. Herausgekommen ist ein Roman, der ausschließlich in akustischer Form existiert. Das Dorf Staufenberg im Landkreis Gießen liegt auf einer Felskuppe. Hoch oben die alte Burg. Wenn der böhmische Flüchtlingsjunge Peter vom Turm ins Tal blickt, kommt ihm das wogende Korn vor wie das Meer, das er nicht kennt, sich aber immer wieder vorstellen muss, und die Flugameisen, die nur hier und nur an wenigen, Jahr für Jahr wiederkehrenden Tagen Hochzeit feiern, erzählen ihm vom Sommer, der kommt. Er sieht die Menschen im Dorf, von denen er nun selbst einer ist, und er sieht all die Wege, die vom Dorf wegführen: in die Weite des Tals vor dem Autobahnbau, zur Lahn und den Lahnwiesen, wo er mit den anderen Kindern spielt und einmal fast sein Taschenmesser verliert, zur Mühle, wo er mit seiner Mutter um ein Säckchen Mehl bittet, zum Rex-Filmtheater Lollar und zur Buderus-Hütt, dem großen Eisenwerk, nach Gießen zum Papierwarenhändler und zum Teufelslustgärtchen, und nicht zuletzt nach Frankfurt, wohin er später mit seinem Freund Eckart in den großen glitzernden Amischlitten der GIs trampt. Vergleichbar der improvisierten Vortragskunst der legendären schwarzen Bluessänger, die er in den 1960er Jahren in hessischen Army-Clubs gehört hat, gerät Peter Kurzeck aus dem Gespräch mit Klaus Sander heraus ins Erzählen, und so finden die beiden zu einer neuen Form des Romans: ein Text, der erst während der Rede, während der Aufnahme, im Schnitt entsteht, ohne Buchvorlage oder Manuskript - eine Beschwörung. In "Ein Sommer, der bleibt" fügt sich ein Kaleidoskop an Geschichten zu einem detailreichen Bild von Nachkriegsdeutschland und früher Bundesrepublik, entspinnt sich aus einer Kindheit im Dorf Staufenberg ein exemplarisches Leben, in dem die Kunst der Erinnerung in eins fällt mit der Kunst der Literatur.
Inhaltsverzeichnis
CD1 Das Dorf meiner Kindheit Vor der Haustür der Tag Das Licht im Dorf und die
Vielfalt der Welt Ich bin im Juni geboren Als ich sechs war In der Schule Der
Blick aus dem Fenster An die Diefebach Flüchtlingsfamiliengemeinschaftswohnungen
Nach Gelnhausen Ein böhmischer Weihnachtsbaum Vor dem Schaufenster Am Anfang des
Sommers Baden an der Lahn Durst CD2 Kalte Fleischwurst Mein Hund Rolf Die
amtliche Hundesteuer Weite Wege Das verschwundene Tal Sichtblenden
Ameisenhochzeiten Die Autobahn Billige Markenbutter Einkaufsfahrten Vom Feld auf
die Hütt und zehn Jahre eher sterben Die alten Leute im Dorf Am Hoftor Die Amis
Im Teufelslustgärtchen Fußgängerzone Ami-Zahltag CD3 Keine Kirche im Dorf Die
Kirche von innen auffressen Maiandachten Flüchtlingsbaracken und Behelfsheime
Das Mohnmühlchen Das Mehlsäckchen Hypnotisieren lernen Afrika Schwarzwaldhaus
Das rote Zauberglas Rex-Filmtheater Lollar Das erste Auto im Dorf Vom Klempner
zum Gastwirt Flüchtlingswärmflaschen Das verlorene Taschenmesser CD4 Für meinen
Vater ein Rezept Auf dem Heimweg Straßenlampen Die Theaterschneiderin Der
Bücherbus Die Bücher im Dorf Bücher, die ein Leben lang reichen Schlittenfahrten
Waschtage Strohsäcke Amipritschen und Heuwagen Die Dreschmaschine
Autoreninfo
Peter Kurzeck ist 1943 in Böhmen geboren und als Flüchtlingskind in Staufenberg im Kreis Gießen aufgewachsen, lebte seit 1970 viele Jahre in Frankfurt am Main und in UzŠs, Südfrankreich. Verschiedene Literaturpreise und Stipendien: Alfred-Döblin-Preis 1991, Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1999, Hans-Erich-Nossack-Preis 2000, Stadtschreiber von Bergen 2000/2001. 2008 erhielt Peter Kurzeck den Georg-Christoph-Lichtenberg-Preis. Der Autor verstarb 2013.