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Mehr Schein als Sein
- von Rezensentin/Rezensent aus M., 05.02.2008 -
Martin Walsers Roman "Ehen in Philippsburg" erschien im Jahr 1957 zur Zeit des Wirtschaftswunders in Deutschland.
Der Roman spielt in einer Großstadt namens „Philippsburg“. Er ist in vier Teile eingeteilt.
Im ersten Teil strebt der junge Journalist Hans Beumann in Philippsburg eine Karriere als Journalist an. Durch einen Zufall, der ihn mit einer ehemaligen Kommilitonin zusammenbringt findet der Anfangs mittellose Journalist Einlass in die Philippsburger Elite, in der er sich zu Beginn jedoch nicht sehr wohl fühlt. Er verkehrt mit Anwälten, Chefredakteuren, Rundfunkintendanten, Industriellen und den Größen der Philippsburger Gesellschaft und lernt das Leben dieser kennen,
Der zweite Teil des Romans wird aus der Sicht eines Gynäkologen namens Dr. Alf Benrath erzählt, der seine Frau seit Jahren mit Cécile, der attraktiven Besitzerin eines Kunstgewerbegeschäftes, betrügt und sich zu keiner klaren Entscheidung zwischen ihr und seiner Frau Birga durchringen kann. Dabei hat er schon angefangen sich ständig selbst zu belügen um besser mit der Situation klar zu kommen. Seine Frau begeht Selbstmord, weil sie mit seiner fortgesetzten Untreue nicht mehr zurechtkam.
Der dritte Teil handelt von dem Rechtsanwalt Dr. Alexander Alwin, der nachdem er seine Kanzlei aufgegeben hatte in die Politik einsteigen wollte. Sein Ansehen in der Gesellschaft verdankt er der Eheschließung mit seiner Frau Ilse, die aus einer sehr angesehenen Familie stammt. Er ist ein Profi in Sachen Fremdgehen und ist stolz darauf, wie bescheiden er mit seinen Erfolgen umgeht. Doch als er während einer Autofahrt versucht Césiles Aufmerksamkeit zu erregen verursacht er inen tödlichen Unfall, der seine Karriere zerstört
Der vierte und letzte Teil ist dem erfolglosen Schriftsteller Hans Klaff gewidmet der im selben Haus wie Hans Beumann wohnte. Seine Ehefrau verließ ihn, weil er keinerlei Ehrgeiz entwickelte. Währenddessen schließt sich der Kreis indem auch Hans Beumann in der höheren Gesellschaft akzeptiert wird, Anne, seine ehemalige Kommilitonin und Tochter des Fabrikanten Volkmann heiratet und seine Karriere als Ehebrecher beginnt.
Die ganze Gesellschaft strebt danach den äußeren Schein eines erfolgreichen Lebens zu wahren um stets verehrt zu werden. Jedoch sieht es im Privatleben der erfolgreichen Männer ganz anders aus. Ihre Ehen werden nur noch von Ehrgeiz, Gewohnheit oder der Angst vor einem Skandal zusammengehalten. Jeder hat eine Geliebte an seiner Seite, während die Ehefrauen nur noch zur Aufbewahrung des Scheins benutzt werden. Wahre Liebe oder gar Leidenschaft gibt es unter den Protagonisten nicht mehr, es dreht sich alles nur noch um neue Eroberungen und das Erklimmen der nächsten Stufe der Karriereleiter. Die Fähigkeit wirklich zu lieben und wahre Emotionen zu zeigen schwindet langsam.
Anfangs steht Hans Beumann der gehobenen Gesellschaft kritisch gegenüber, jedoch wandelt er sich mit den ersten Erfolgen sehr schnell zu einem weiteren Aufsteiger und schließt sich dem allgemeinen Trend an.
Martin Walser hat mit diesem Roman einen guten Einblick hinter die Kulissen der Gesellschaft während der Wirtschaftswunder-Zeit verschafft. Er zeigt deutlich, dass der Schein oft trügt und sich hinter den Fassaden nicht immer das verbirgt, was man nach außen hin zu sehen bekommt.
Der Roman „Ehen in Philippsburg“ brachte Martin Walser noch im Erscheinungsjahr den Hermann - Hesse - Preis ein und verhalf ihm zum Durchbruch als einem der erfolgreichsten Autoren der Nachkriegsliteratur.