Produktbeschreibung
Duby geht es in seiner Darstellung der mittelalterlichen Kunst nicht um Ikonographie oder Stilgeschichte. Er stellt das Kunstwerk in den sozialen und geistesgeschichtlichen Rahmen seiner Zeit. Wenngleich die künstlerische Produktion die Perspektive dieser Arbeiten stets bestimmt, gehört der größere Raum doch der Darstellung der sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklungen, in deren Rahmen sich die Kunst, deren Brennpunkt die Kathedrale bildet, entfaltete.
Zusammenfassung
Duby geht es in seiner Darstellung der mittelalterlichen Kunst
nicht um Ikonographie oder Stilgeschichte. Er stellt das Kunstwerk
in den sozialen und geistesgeschichtlichen Rahmen seiner Zeit.
Wenngleich die künstlerische Produktion die Perspektive
dieser Arbeiten stets bestimmt, gehört der größere
Raum doch der Darstellung der sozialen, ökonomischen, politischen
und kulturellen Entwicklungen, in deren Rahmen sich die Kunst,
deren Brennpunkt die Kathedrale bildet, entfaltete. So zeichnet
er die ökonomischen Wandlungen jener Zeit nach, den Aufschwung
der Landwirtschaft um die Jahrtausendwende, die Rückschläge
durch Epidemien, die Entwicklung des Handels mit ihrer Erschließung
neuer Märkte und der Verlagerung von Handelswegen, die ganze
Landstriche aufblähen oder veröden ließ. Er schildert
die Veränderungen in den Machtkonstellationen zwischen
dem Kaiser, den Königen und dem Feudaladel und zwischen ihnen
und der Kirche, aus denen neue Auftraggeber, neue Mäzene
und neue Ausdrucksbedürfnisse für das Kunstwerk erwuchsen.
Er geht den Reformbewegungen des Mönchtums nach, dem stets
erneuerten Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal persönlicher
Armut und dem kollektiven Reichtum der Klöster, das die Kunst
der Klosterkirchen ebenso beeinflußte wie die gesellschaftliche
und innerkirchliche Position des Mönchtums. Er stellt schließlich
die großen geistigen Strömungen dieser vier Jahrhunderte
vor, die Kämpfe zwischen Mystik und aristotelischem Rationalismus
in Theologie und Philosophie; die Wandlungen des Volksglaubens,
der zwischen apokalyptischer Vision und der Affirmation eines
oft doch nur allzu bescheidenen irdischen Genusses oszillierte;
die großen Ketzerbewegungen dieser Zeit, die von der Papst-Kirche
im Blut erstickt wurden. Das Kunstwerk begreift Duby als Ausdruck
dieser Momente freilich nicht als direkten, und schon gar nicht
als universellen Ausdruck, denn in den Widersprüchen, den
Übergängen und Brüchen der Geschichte vermag es
stets nur partiell die Zeit zu repräsentieren.
Leseprobe
Die kaiserliche Kunst
»Ein einziger herrscht im himmlischen Königreich, derjenige,
der den Blitz schleudert; also ist es natürlich, daß
unter ihm auch auf Erden nur ein einziger herrscht.« Die
menschliche Gesellschaft des 11. Jahrhunderts versteht sich als
ein Ebenbild, als Widerschein der Stadt Gottes, die selbst ein
Königreich darstellt. Und tatsächlich hat das feudale
Europa nicht auf seinen Monarchen verzichten können. Als
die Banden der Kreuzfahrer, die stets ein Schauspiel schlimmster
Disziplinlosigkeit boten, im Heiligen Land einen Staat gründeten,
machten sie ihn spontan zu einem Königreich. Als Beispiel
irdischer Vollendung erhebt sich die Königsgestalt auf dem
Gipfel aller geistigen Gebilde, die damals für die Ordnung
des sichtbaren Universums standen. Artus, Karl der Große,
Alexander, David, alle Helden der ritterlichen Kultur waren Könige,
und allein dem König wollten alle Menschen dieser Zeit, ob
Priester, Krieger oder gar Bauern, ähnlich sein. Der dauerhafte
Bestand des Königsmythos ist als einer der markantesten Charakterzüge
der mittelalterlichen Zivilisation anzusehen. Besonders eng hängt
die Geburt des Kunstwerks, die Geburt jener prächtigen Meisterwerke,
auf die so oft verwiesen wird, mit dem Königtum, seinen Funktionen
und seinen Mitteln zusammen. Wer die Beziehungen zwischen der
Sozialstruktur und der künstlerischen Schöpfung begreifen
will, muß also die Grundlagen der monarchischen Macht dieser
Zeit sowie die Art ihrer Ausübung aufmerksam analysieren.
Autoreninfo
Georges Duby, Mediävist und einer der wichtigsten Vertreter der Annales-Schule, wurde 1919 in Paris geboren. Ab 1970 hatte er einen Lehrstuhl als Professor für mittelalterliche Geschichte am College de France und verfaßte zahlreiche Abhandlungen über Historie und Kunst des Mittelalters. Seit 1987 Mitglied der Academie fran aise, war Duby unter anderem Vorsitzender im Aufsichtsrat von La Sept sowie Leiter der Zeitschriften "Etudes rurales" und "Moyen Age". Er starb 1996 im Alter von 77 Jahren in Aix-en-Provence.