Produktbeschreibung
9783784403533LangtextVor mehr als 30 Jahren entstand "Antigone" und begründete den Weltruhm Jean Anouilhs: "Das Theaterpublikum in aller Welt weiß wohl, was es an diesem Anouilh hat: einen Autor, der immer zu fesseln weiß, der nichts Halbfertiges, Törichtes, Mattes anbietet, der sich auf Brillanz und Problematik, glänzende Rollen und glänzende dramatische Durchführung, auf die Magie des Pessimismus und die Magie des Witzes gleich gut versteht." Joachim Kaiser "Antigone": das Drama, mit dem Anouilh seinen Weltruhm begründete - deutsche Übertragung von Franz Geiger.
Leseprobe
Neutrales Bühnenbild. Im Hintergrund drei gleiche Türen.
Beim Aufgeben des Vorhangs sind alle Personen auf der Bühne.
Sie plaudern, stricken oder spielen Karten. Der SPRECHER tritt
vor.
SPRECHER- So ... Diese Leute werden euch jetzt die Geschichte
der Antigone spielen. Antigone ist die kleine Magere, die da
drüben sitzt und schweigt. Starr blickt sie vor sich hin
und denkt. Sie denkt, daß sie nun gleich Antigone sein
wird, daß sie plötzlich nicht mehr das schmächtige,
schwarze, verschlossene Mädchen ist, das keiner in der Familie
ernst nimmt, sondern daß sie sich allein gegen die Welt
stellen wird und gegen Kreon, ihren Onkel, der König ist.
Sie denkt daran, daß sie sterben muß und - weil sie
ja noch so jung ist - daß auch sie gerne noch leben möchte.
Aber man kann ihr nicht helfen. Sie heißt Antigone und
muß ihre Rolle durchhalten bis zum Ende. Seit der Vorhang
aufgegangen ist, fühlt sie, wie beängstigend schnell
sie sich von ihrer Schwester Ismene entfernt, die dort mit einem
jungen Mann plaudert und scherzt. Sie löst sich von uns
allen, die wir heute abend nicht zu sterben brauchen und ihr ruhig
zusehen können.
Der junge Mann da, mit dem die blonde, schöne, glückliche
Ismene spricht, ist Himon, Kreons Sohn, der Verlobte Antigones.
Eigentlich zog ihn alles zu Ismene: seine Lust am Tanzen und
Spielen, seine Freude am Glück und leichten Erfolg, seine
Sinnlichkeit denn Ismene ist schöner als Antigone. Aber
eines Abends auf einem Ball, nachdem er nur mit Ismene getanzt
hatte - sie hatte bezaubernd ausgesehen in ihrem neuen Kleid -,
da ging er zu Antigone, die in einer Ecke saß, ihre Arme
um die Knie geschlungen, so wie jetzt. Hämon bat sie, seine
Frau zu werden.