Produktbeschreibung
Der Roman "Effi Briest" wurde als Zweiteiler 1894/95 in der "Deutschen Rundschau" veröffentlicht. Als Vorbild für die Handlung, griff Fontane eine Ehetragödie auf, die in den 1880er-Jahren für großes Aufsehen sorgte, und verwebt die realen Persönlichkeiten mit seinen fiktiven Charakteren. Am Anfang der Geschichte steht die Verlobung zwischen Baron von Innstetten, einem Freund der Familie von Briest, und deren Tochter Effi. Diese folgt dem mehr als zwanzig Jahre Älteren nach Kessin, obwohl sie Innstetten nicht liebt, und beginnt, von ihrem Mann oft allein gelassen, sich zu langweilen. Trotz eines gemeinsamen Kindes verfestigt sich die Beziehung zwischen den Eheleuten nicht und Effi beginnt eine Liebesbeziehung mit dem Bezirkskommandanten Crampas. Das Verhältnis bleibt ohne Leidenschaft und so kann Effi es leicht beenden, als sie mit ihrem Mann nach Berlin ziehen soll. Dort verlebt sie ruhige und harmonische Jahre, bis Innstetten Briefe findet, die das Verhältnis zwischen Effi und Crampas enthüllen. Nach einem Duell mit dem Nebenbuhler, aus dem Innstetten als Sieger hervorgeht, lässt er sich von Effi scheiden und behält das Kind bei sich. Als Effi die inzwischen Zehnjährige zufällig trifft und bemerkt, dass sie sich völlig entfremdet haben, erleidet sie einen Zusammenbruch und stirbt bei ihren Eltern. Der Roman wird von Thomas Mann als "modernstes Werk, das am deutlichsten über die bürgerlich realistische Epoche hinaus in die Zukunft weist", beschrieben.
Leseprobe
In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie
von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller
Sonnenschein- auf die mittagsstille Dorfstraße, während
nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter
Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß
und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen
hinaus auf ein großes in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr
und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetztes
Rondell warf.
Einige zwanzig Schritte weiter, in Richtung und Lage genau dem
Seitenflügel entsprechend, lief eine, ganz in kleinblättrigem
Efeu stehende, nur an einer Stelle von einer kleinen, weiß
gestrichenen Eisentür unterbrochene Kirchhofsmauer, hinter
der der Hohen-Cremmener Schindelturm mit seinem blitzenden, weil
neuerdings erst wieder vergoldeten Wetterhahn aufragte. Fronthaus,
Seitenflügel und Kirchhofsmauer bildeten ein einen kleinen
Ziergarten umschließendes Hufeisen, an dessen offener Seite
man eines Teiches mit Wassersteg und angeketteltem Boot und dicht
daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizontal gelegtes
Brett zu Häupten und Füßen an je zwei Stricken
hing - die Pfosten der Balkenlage schon etwas schief stehend.
Zwischen Teich und Rondell aber und die Schaukel halb versteckend
standen ein paar mächtige alte Platanen.
Auch die Front des Herrenhauses - eine mit aloekübeln und
ein paar Gartenstühlen besetzte Rampe - gewährte bei
bewölktem Himmel einen angenehmen und zugleich allerlei Zerstreuung
bietenden Aufenthalt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte,
wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders von
Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem
im vollen Schatten liegenden Fliesengange saßen, in ihrem
Rücken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster,
neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren vier Steinstufen
vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten.
Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit,
die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden
Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und Seidendocken
lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander,
dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine
mit großen, schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale.
Autoreninfo
Theodor Fontane (1819 -1898) ist der bedeutendste Erzähler des literarischen Realismus. Der gelernte Apotheker machte mit 30 Jahren das Schreiben zum Beruf, zunächst als Journalist und Theaterkritiker. Erst spät begann er erfolgreich Romane und Erzählungen zu schreiben. Seine Romane und Novellen, die vielfach verfilmt wurden, zählen zu den meistgelesenen Klassikern des 19. Jahrhunderts.