Produktbeschreibung
Der tief verschuldete Schankwirt und Kaufmann Abel Hradschek entdeckt eines Tages beim Umgraben in seinem Garten unter einem Birnenbaum die über 20 Jahre alte Leiche eines französischen Soldaten. Als ein Vertreter einer Krakauer Firma anreist, um Hradscheks Schulden einzutreiben, entwirft er mit seiner Frau einen geschickten Mordplan, bei dem er mit Hilfe der Soldatenleiche den Verdacht von sich lenken möchte. Die Polizei, die am nächsten Tag nach der Leiche gräbt, findet nur die Leiche des Soldaten und der Mordverdacht löst sich auf. Doch seitdem leidet die Frau des Schankwirts so sehr unter ihrem schlechten Gewissen, dass sie schließlich daran zu Grunde geht. Zudem verhindert die alte Nachbarin Hradscheks durch ihre Anspielungen, dass er den Mord vergessen kann. Als der Wirt eines Tages die im Keller vergrabene Leiche umbetten will, sperrt er sich dabei versehentlich selbst ein. Am nächsten Morgen findet die Dorfbevölkerung Hradschek neben der Leiche seines Mordopfers. Neben einer spannenden Kriminalerzählung ist die Novelle auch eine Milieustudie der Dorfbevölkerung um 1830. Anschaulich beschreibt Theodor Fontane die verschiedenen Charaktere und die Macht, die Gerüchte, Dorfklatsch und Aberglaube in ihrem Leben besaßen. Neben Informationen zu Theodor Fontanes Werk enthält diese Ausgabe auch eine Zeittafel mit den wichtigsten Lebensdaten und Worterklärungen.
Leseprobe
Erstes Kapitel
Vor dem in dem großen und reichen Oderbruchdorfe Tschechin
um Michaeli 20 eröffneten Gasthaus und Materialwarengeschäft
von Abel Hradscheck (so stand auf einem über der Tür
angebrachten Schilde) wurden Säcke vom Hausflur her auf einen
mit zwei magern Schimmeln bespannten Bauernwagen geladen. Einige
von den Säcken waren nicht gut gebunden oder hatten kleine
Löcher und Ritzen, und so sah man denn an dem, was herausfiel,
daß es Rapssäcke waren. Auf der Straße neben
dem Wagen aber stand Abel Hradscheck selbst und sagte zu dem eben
vom Rad her auf die Deichsel steigenden Knecht: "Und nun
vorwärts, Jakob, und grüße mir Ölmüller
Quaas. Und sag ihm, bis Ende der Woche müßt' ich das
Öl haben, Leist in Wrietzen warte schon. Und wenn Quaas nicht
da ist, so bestelle der Frau meinen Gruß und sei hübsch
manierlich. Du weißt ja Bescheid. Und weißt auch,
Kätzchen hält auf Komplimente."
Der als Jakob Angeredete nickte nur statt aller Antwort, setzte
sich auf den vordersten Rapssack und trieb beide Schimmel mit
einem schläfrigen "Hü!" an, wenn überhaupt
von Antreiben die Rede sein konnte. Und nun klapperte der Wagen
nach rechts hin den Fahrweg hinunter, erst auf das Bauer Orthsche
Gehöft samt seiner Windmühle (womit das Dorf nach der
Frankfurter Seite hin abschoß) und dann auf die weiter draußen
am Oderbruchdamm gelegene Ölmühle zu. Hradscheck sah
dem Wagen nach, bis er verschwunden war, und trat nun erst in
den Hausflur zurück. Dieser war breit und tief und teilte
sich in zwei Hälften, die durch ein paar Holzsäulen
und zwei dazwischen angespannte Hängematten voneinander getrennt
waren. Nur in der Mitte hatte man einen Durchgang gelassen. An
dem Vorflur lag nach rechts hin das Wohnzimmer, zu dem eine Stufe
hinaufführte, nach links hin aber der Laden, in den man durch
ein großes, fast die halbe Wand einnehmendes Schiebefenster
hineinsehen konnte. Früher war hier die Verkaufsstelle gewesen,
bis sich die zum Vornehmtun geneigte Frau Hradscheck das Herumtrampeln
auf ihrem Flur verbeten und auf Durchbruch einer richtigen Ladentür,
also von der Straße her, gedrungen hatte. Seitdem zeigte
dieser Vorflur eine gewisse Herrschaftlichkeit, während der
nach dem Garten hinausführende Hinterflur ganz dem Geschäft
gehörte. Säcke, Zitronen- und Apfelsinenkisten standen
hier an der einen Wand entlang, während an der anderen übereinandergeschichtete
Fässer lagen, Ölfässer, deren stattlich Reihe nur
durch eine zum Keller hinunterführende Falltür unterbrochen
war. Ein sorglich vorgelegter Keil hielt nach rechts und links
hin die Fässer in Ordnung, so daß die untere Reihe
durch den Druck der obenaufliegenden nicht ins Rollen kommen konnte.
So war der Flur.
Autoreninfo
Theodor Fontane (1819 -1898) ist der bedeutendste Erzähler des literarischen Realismus. Der gelernte Apotheker machte mit 30 Jahren das Schreiben zum Beruf, zunächst als Journalist und Theaterkritiker. Erst spät begann er erfolgreich Romane und Erzählungen zu schreiben. Seine Romane und Novellen, die vielfach verfilmt wurden, zählen zu den meistgelesenen Klassikern des 19. Jahrhunderts.