Produktbeschreibung
In einem gewissen Sinne wird im neuen Roman von Max Frisch eine Erfahrung seines »Stiller« weitergeführt. Wenn Stiller um seine Identität kämpft - »nichts ist schwerer als sich selbst anzunehmen« -, so liegt Fabers Problem darin, daß es noch viel schwerer ist, einen anderen Menschen anzunehmen. Max Frischs Bericht »Homo faber« ist ein bedeutendes Buch. Ein Spiegel unserer Zeit, wer hineinblickt, erkennt darin einen Teil seiner selbst. Hansres Jacobi, Rhein-Neckar-Zeitung
Zusammenfassung
Frischs Roman ist von einer Geschlossenheit, die kein früheres
Werk Frischs erreicht hat ...
Was bei Stiller noch ein spätromantisches Problem war, die
Auseinandersetzung des Einzelnen mit seiner eignen Identität,
hat sich zu einem modernen Problem gewandelt, zum Problem des
»Lebens als Gestalt in der Zeit«. Es ist das Problem
der Verwirklichung des Todes im Leben und der Gewinnung der Gestalt,
die uns im Übergang zum technischen Zeitalter zu entgleiten
droht. Deshalb ist dieser Roman nicht nur das geschlossenste,
sondern auch das beunruhigendste Werk Frischs. Beda Allemann
Kritik
¯Faber ist die vollkommene Verkörperung der technischen Existenz, die sich vor dem Zufall und dem Schicksal sicher glaubt. Diesen Faber, der das fünfzigste Lebensjahr schon überschritten hat, läßt Frisch systematisch mit der außertechnischen Welt, dem Irrationalen, zusammenstoßen.®® Darmstädter Echo
Leseprobe
Erste Station
Wir starteten in La Guardia, New York, mit dreistündiger
Verspätung infolge Schneestürmen. Unsere Maschine war,
wie üblich auf dieser Strecke, eine Super-Constellation.
Ich richtete mich sofort zum Schlafen, es war Nacht. Wir warteten
noch weitere vierzig Minuten draußen auf der Piste, Schnee
vor den Scheinwerfern, Pulverschnee, Wirbel über der Piste,
und was mich nervös machte, so daß ich nicht sogleich
schlief, war nicht die Zeitung, die unsere Stewardeß verteilte,
First Pictures Of World's Greatest Air Crash In Nevada,
eine Neuigkeit, die ich schon am Mittag gelesen hatte, sondern
einzig und allein diese Vibration in der stehenden Maschine mit
laufenden Motoren dazu der junge Deutsche neben mir, der mir sogleich
auffiel, ich weiß nicht wieso, er fiel auf, wenn er den
Mantel auszog, wenn er sich setzte und sich die Bügelfalten
zog, wenn er überhaupt nichts tat, sondern auf den Start
wartete wie wir alle und einfach im Sessel saß, ein Blonder
mit rosiger Haut, der sich sofort vorstellte, noch bevor man die
Gürtel geschnallt hatte. Seinen Namen hatte ich überhört,
die Motoren dröhnten, einer nach dem andern auf Vollgasprobe
-
Ich war todmüde.
Ivy hatte drei Stunden lang, während wir auf die verspätete
Maschine warteten, auf mich eingeschwatzt, obschon sie wußte,
daß ich grundsätzlich nicht heirate.
Ich war froh, allein zu sein.
Endlich ging's los -
Ich habe einen Start bei solchem Schneetreiben noch nie erlebt,
kaum hatte sich unser Fahrgestell von der weißen Piste gehoben,
war von den gelben Bodenlichtern nichts mehr zu sehen, kein Schimmer,
später nicht einmal ein Schimmer von Manhattan, so schneite
es. Ich sah nur das grüne Blinklicht an unsrer Tragfläche
die heftig schwankte, zeitweise wippte; für Sekunden verschwand
sogar dieses grüne Blinklicht im Nebel, man kam sich wie
ein Blinder vor.
Autoreninfo
Max Frisch wurde 1911 in Zürich geboren und starb 1991 ebenda. Er studierte Germanistik an der Universität Zürich (1930-1934) und Architektur an der ETH Zürich (1936-1940). Ab 1931 arbeitete er als Journalist, später als freier Schriftsteller. Seine zahlreichen Auslandsreisen führten ihn u.a. 1951/1952 für einen längeren Aufenthalt in die USA. Max Frisch hat ein großes literarisches Werk geschaffen, das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, unter anderem 1958 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1976 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.