Produktbeschreibung
Eberhard Starusch, einst Anführer der Stäuberbande in der 'Blechtrommel'
und inzwischen 'Studienrat für Deutsch und also Geschichte' in Westberlin,
sammelt 1967 Material zu einem Wehrmachtsgeneral, der im Sandkasten den
Zweiten Weltkrieg nachträglich gewinnen will. Doch die aktuelle Studentenrevolte
wird für Starusch immer vordringlicher. Dem empörten Aufschrei seines Lieblingsschülers,
der als ritualisierten Protest gegen den Napalmeinsatz in Vietnam seinen
Dackel auf dem Kudamm verbrennen will, setzt er die Traurigkeit seines
Besserwissens entgegen: Wer die Welt radikal verändern will, müßte zuerst
den Menschen abschaffen. Eine Zahnbehandlung wird Starusch zum Symbol des
einzig möglichen Forschritts: Fiktive Dialoge mit seinem Zahnarzt zeigen,
daß es nur die örtliche Betäubung gegen das Leiden an der Welt gibt, die
kleinen Schritte in der Tretmühle der Vernunft...
Zusammenfassung
Eberhard Starusch, einst Anführer der Stäuberbande in
der Blechtrommel und inzwischen Studienrat für
Deutsch und also Geschichte in Westberlin, sammelt 1967 Material
zu einem Wehrmachtsgeneral, der im Sandkasten den Zweiten Weltkrieg
nachträglich gewinnen will. Doch die aktuelle Studentenrevolte
wird für Starusch immer vordringlicher. Dem empörten
Aufschrei seines Lieblingsschülers, der als ritualisierten
Protest gegen den Napalmeinsatz in Vietnam seinen Dackel auf dem
Kudamm verbrennen will, setzt er die Traurigkeit seines Besserwissens
entgegen: Wer die Welt radikal verändern will, müßte
zuerst den Menschen abschaffen. Eine Zahnbehandlung wird Starusch
zum Symbol des einzig möglichen Fortschritts: Fiktive Dialoge
mit seinem Zahnarzt zeigen, daß es nur die örtliche
Betäubung gegen das Leiden an der Welt gibt, die kleinen
Schritte in der Tretmühle der Vernunft. In "örtlich
betäubt", erschienen 1969, wird offensichtlich: »Grass
ist ein fanatischer Anhänger der Mäßigung. Er
ist ein Gemäßigter, wie andere Menschen Extremisten
sind. Er ist fast verrückt nach Vernunft.« (Time Magazine)
Leseprobe
Das erzählte ich meinem Zahnarzt. Maulgesperrt sind der
Mattscheibe gegenüber, die, tonlos wie ich, Werbung erzählte:
Haarspray Wüstenrot Weißer als weiß... Ach, und
die Tiefkühltruhe, in der zwischen Kalbsnieren und Milch
meine Verlobte lagerte, Sprechblasen steigen ließ: »Halt
du dich da raus. halt du dich da raus... « (Heilige Apollonia,
bitte für mich!) Zu meinen Schülerinnen und Schülern
sagte ich: »Versucht, nachsichtig zu sein. Ich muß
zum Zahnklempner. Das kann sich hinziehen. Also Schonfrist.«
Kleines Gelächter. Mittlere Respektlosigkeiten. Scherbaum
breitete skurrile Kenntnisse aus: »Sehr verehrter Herr Starusch.
Ihr leidgeprüfter Entschluß legt es uns, Ihren mit
fühlenden Schülern, nahe, Sie an das Martyrium der Heiligen
Apollonia zu erinnern. Im Jahre 250, unter der Regierung des
Kaisers Decius, wurde das gute Mädchen in Alexandria verbrannt.
Weil die Meute ihr vorher mit Kneifzangen alle Zähne gezogen
hatte, ist sie die Schutzheilige aller Zahnwehleidenden und ungerechterweise
auch der Dentisten. Auf Fresken in Mailand und Spoleto, in den
Gewölben schwedischer Kirchen, aber auch in Sterzing, Gmünd
und Lübeck sieht man sie mit Zange und Molar abgebildet.
Viel Spaß und fromme Hingabe. Wir, Ihre 12 a werden
die Heilige Apollonia um Fürbitte ersuchen. « Die Klasse
murmelte Segenssprüche. Ich bedankte mich für den mäßig
witzigen Unsinn. Vera Lewand verlangte mir sogleich eine Gegenleistung
ab: mein Votum für die seit Monaten geforderte Raucherecke
neben dem Fahrradschuppen. »Das kann ja kaum in Ihrem Sinn
sein, wenn wir unbeaufsichtigt auf dem Klo qualmen.«
Autoreninfo
Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig geboren, absolvierte nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft eine Steinmetzlehre, studierte Grafik und Bildhauerei in Düsseldorf und Berlin.
1956 erschien der erste Gedichtband mit Zeichnungen, 1959 der erste Roman, Die Blechtrommel. 1999 wurde Günter Grass der Nobelpreis für Literatur verliehen. Bis zu seinem Tod am 13. April 2015 lebte Günter Grass in der Nähe von Lübeck. Sein gesamtes literarisches Werk ist auch bei dtv erschienen.