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Stummes Nachkriegsdeutschland
- von Ruth Justen aus Leipzig, 30.11.2011 -
Die Hauptfigur in Ortheils "Erfindung des Lebens" ist ein Junge, der allein mit seinen Eltern im Nachkriegs-Deutschland aufwächst. Seine drei älteren Brüder sind vor seiner Geburt gestorben. Die Mutter beschließt in ihrer Verzweiflung, nicht mehr zu sprechen. Da Mutter und Sohn eine schwierige Symbiose entwickeln, verfällt auch der Junge in eine selbst gewählte Stummheit. Erst der missglückte Schulstart macht den Eltern die Isolation ihres Sohnes bewusst.
Stück für Stück gelingt es dem Vater, seinen Sohn aus dieser Isolation in ein lebensfrohes Leben zu führen. Auf diesem Weg zeigt der Junge zwei herausragende Talente. Er hat ein außergewöhnliches Gespür für Wörter und für das Klavierspiel. Nur das zweite Talent nehmen alle wahr und so verfolgt er das Karriereziel Konzertpianist. Während des Studiums zwingt ihn eine Sehnenscheidenentzündung zur Aufgabe dieses Ziels. Das stürzt ihn in eine tiefe Krise, aus der er erst heraus kommt, als er sein zweites Talent, das Schreiben, erkennt. So wird er ein erfolgreicher Schriftsteller. Doch fehlt ihm das Liebesglück. Dieses erfährt er als Mann im besten Alter, als er ein Buch über seine Kindheit schreibt.
Ortheil zeigt die tiefen Wunden der Nachkriegsgeneration und ihren manchmal schon verzweifelten Versuch, diese zu verschließen. Wenigstens im Roman gibt es Heilung. Für mich ist das Buch ein starkes Stück deutscher Gegenwartsliteratur.