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Ordnung des Beliebigen
- von Uli Geißler aus Fürth/Bay., 18.12.2011 -
Der Schweizer Künstler Ursus Wehrli tut etwas, was manche als Ziel eines geordneten Lebens betrachten und spiegelt gleichzeitig, wie wenig sinnvoll das oftmals wäre: er ordnet die Dinge.
Folgte man der Aufforderung „Räum Dein Zimmer auf“, so käme selten eine so extrem übersichtliche und dadurch geradezu krude Aneinanderreihung von Gegenständen nach Größe, Farbe, Form, Gewicht oder Ausrichtung zustande, wie bei den Wehrlis Werken.
Da kaufen Menschen plötzlich nur noch Produkte einer Farbe ein, werden in einem Schwimmbad Spiel- und Funktionsgegenstände sowie die Besucherinnen und Besucher nach Farbe, Form und Kleidung ähnlich in Reihen auf den Boden platziert, Sandkastenspielzeuge nach Funktion, Größe und Farbe im Sandkasten aneinander gelegt oder ein Christbaum fein säuberlich in die Bestandteile zerlegt und nach Materialbeschaffenheit aufgereiht.
Das vermeintliche Chaos des ganz normalen Alltags findet sich nach der Bearbeitung durch den Künstler plötzlich in einer – weil so ungewohnt perfektionistisch – eher kruden Weise bereinigt wieder. Interessant, dass diese oft gedankenlos eingeforderte Ordnung in die Tat umgesetzt keineswegs zur inneren Befriedigung führt, sondern eher beunruhigt ob der unnatürlichen Reinheit der Ausstrahlung. So will man das doch auch wieder nicht …
Es ist ein Spiel mit der vermeintlichen Übersichtlichkeit und dem Bedürfnis nach äußerer Klarheit. Systematisierte Darstellungen von Fahrstreckenplänen, Aufteilung von Hühnergehegen, Platzierung von Schriftzeichen eines Hinweisschildes oder die Ablage von Utensilien Teilnehmender einer Langlauf-Veranstaltung beunruhigen eher. Die gereihten Sterne des Nachthimmels rufen geradezu Sorge um den Bestand des Universums hervor.
So ruft plötzlich die Auseinandersetzung mit vermeintlich wohltuenden Ratschlägen, Vorschlägen oder Hinweisen zur Regelung eines gelingenden Lebens im Kontext des Alltags oder auch der Kunst geradezu zum Widerstand gegen die Verregelung auf, fordert die Reflexion ein und nötigt Betrachtende, sich nach Chaos, Durcheinander und Vielschichtigkeit zu sehnen. Das ist wahre Kunst, die der Künstler in seinem Buch aufzeigt, das allerdings erst in einem zweiten Blick dahinter!
(c) 12/2011, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.