Produktbeschreibung
Siddhartha, 1953 im Suhrkamp Verlag erstmals erschienen und für Generationen zu einem Kultbuch geworden, ist die Legende von der Selbstbefreiung eines jungen Menschen aus den familiären und gesellschaftlichen Konventionen zu einem eigenständigen Leben, ein Buch über die Erkenntnis, daß Bewußtsein nicht überlieferbar ist durch Lehren, sondern nur durch eigene Erfahrung erworben werden kann. In diesem Text sucht Hesse zu ergründen, »was allen Konfessionen und allen menschlichen Formen der Frömmigkeit gemeinsam ist, was über allen nationalen Verschiedenheiten steht, was von jeder Rasse und von jedem Einzelnen geglaubt werden kann«.
Zusammenfassung
Siddhartha ist die Geschichte eines beispielhaften Weges zum vollkommenen
Dasein. Siddhartha lehnt, nach einem Wort von Hermann Hesse,
»das Dogma« ab und macht »nicht die Erkenntnis,
sondern die Liebe, das Erleben der Einheit zum Mittelpunkt«.
Henry Miller hat das »außerordentliche Buch«
wegen der »großen Botschaft«, die es enthält,
zu seinem Lieblingsbuch erklärt.
Kritik
¯Hermann Hesses Siddhartha gehört, fast hundert Jahre nach seinem Erscheinen, längst zu den meistgelesenen Texten des 20. Jahrhunderts.® Christian Gampert Deutschlandfunk 20190607
Leseprobe
Der Sohn des Brahmanen
Im Schatten des Hauses, in der Sonne des Flußufers bei den
Booten, im Schatten des Salwaldes, im Schatten des Feigenbaumes
wuchs Siddhartha auf, der schöne Sohn des Brahmanen, der
junge Falke, zusammen mit Govinda, seinem Freunde, dem Brahmanensohn.
Sonne bräunte seine lichten Schultern am Flußufer,
beim Bade, bei den heiligen Waschungen, bei den heiligen Opfern.
Schatten floß in seine schwarzen Augen im Mangohain bei
den Knabenspielen, beim Gesang der Mutter, bei den heiligen Opfern,
bei den Lehren seines Vaters, des Gelehrten, beim Gespräch
der Weisen. Lange schon nahm Siddhartha am Gespräch der
Weisen teil, übte sich mit Govinda im Redekampf, übte
sich mit Govinda in der Kunst der Betrachtung, im Dienst der Versenkung.
Schon verstand er, lautlos das Om zu sprechen, das Wort
der Worte, es lautlos in sich hinein zu sprechen mit dem Einhauch,
es lautlos aus sich heraus zu sprechen mit dem Aushauch, mit gesammelter
Seele, die Stirn umgeben vom Glanz des klardenkenden Geistes.
Schon verstand er, im Innern seines Wesens Atman zu wissen, unzerstörbar,
eins mit dem Weltall.
Freude sprang in seines Vaters Herzen über den Sohn, den
Gelehrigen, den Wissensdurstigen, einen großen Weisen und
Priester sah er in ihm heranwachsen, einen Fürsten unter
den Brahmanen.
Wonne sprang in seiner Mutter Brust, wenn sie ihn sah, wenn sie
ihn schreiten, wenn sie ihn niedersetzen und aufstehen sah, Siddhartha,
den Starken, den Schönen, den auf schlanken Beinen Schreitenden,
den mit vollkommenem Anstand sie Begrüßenden.
Autoreninfo
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.