Produktbeschreibung
»Wolfgang Hildesheimer hat ein ganz kleines Buch geschrieben, das sehr traurig ist und eines der lustigsten. Es heißt >Mitteilung an Max über den Stand der Dinge und anderes<. So waren schon die sechs Seiten überschrieben, die Hildesheimer 1981 zur Festschrift für Max Frisch beisteuerte, und aus jenen sechs Seiten sind nun sechzig geworden. ... Hildesheimer liebte bislang die Sprache als ein ehrliches Material für täuschende Veranstaltungen. Jetzt scheint auch sie ihm in Verruf geraten. ... Er gebarucht die Sprache konsequent, wo sie inkonsequent ist; er faßt sie wörtlich auf, wo sie es übertragen meint; er nimmt sie beim Bild, wo sich der Bildcharakter längst in eine Floskel auflöst. Das produziert lauter falschen Sinn und insofern eben auch neuen ...« »Peter von Matt, FAZ«
Leseprobe
Wieder ist, wie Du, lieber Max, wahrscheinlich bereits festgestellt
hast, ein Jahr vergangen, und ich weiß nicht, ob es Dir
so geht wie mir: allmählich wird mir dieser ewigwährende
Zyklus ein wenig leid, wozu verschiedene Faktoren, deren Urheber
ich in diesem Zusammenhang, um mich keinen Unannehmlichkeiten,
deren Folgen, die in Kauf zu nehmen ich, der ich gern Frieden
halte, gezwungen wäre, nicht absehbar wären, auszusetzen,
nicht nennen möchte, beitragen.
Jedenfalls bin ich gegen das neue Jahr bestens gerüstet,
bin gegen Diebstahl, Feuer, Hagel und Leben versichert, nicht
zu reden von höherer Gewalt, über die ich selten rede,
eigentlich nur, wenn sie sich bemerkbar macht, und selbst dann
nicht immer, ja, vielleicht sogar gerade dann nicht. Der Hund
liegt begraben, die Schäfchen sind im trockenen, das Huhn
ist im Topf, der Topf hat seinen Deckel, der Hase liegt im Pfeffer,
die Flinte im Korn, unter einer steigenden Schneedecke, nach der
sich zu strecken ich den stürzenden - verzeih das Wort -
Pistenfahrern überlasse.
Freilich, wo ich jetzt die Blumen und wo den Sonnenschein nehme,
und wo den Schatten der Erde, iß ich nicht.
Autoreninfo
Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren und verlebte seine Kindheit in Hamburg, Berlin, Cleve, Njimegen und Mannheim. Nach der Machtergreifung Hitlers musste er 1933 mit seinen Eltern über England nach Palästina emigrieren. In Israel absolvierte er von 1934 bis 1937 eine Tischlerlehre und wurde in Möbeldesign und Innenarchitektur unterrichtet. Zwischen 1937 und 1939 studierte Hildesheimer in London Malerei und Bühnenbildnerei an der Central School of Arts and Crafts. Während dieser Zeit hielt er sich auch in Cornwall auf (Zeiten in Cornwall, 1971); nach seiner Rückkehr nach Palästina 1939 war er bis 1942 als Englischlehrer am British Council in Tel Aviv und bis 1946 als Informationsoffizier in Jerusalem tätig. Bei den Nürnberger Prozessen arbeitete Hildesheimer als Simultandolmetscher (1946-1949), nach 1948 als Redakteur ihrer gesamten Protokolle. Danach zog er sich für vier Jahre an den Starnberger See zurück, wo er zu schreiben an