Produktbeschreibung
In seinem berühmten »Idyll« aus dem Jahr 1919 erzählt Thomas Mann von den täglichen Spaziergängen mit seinem deutschen Hühnerhund Bauschan in der Umgebung des Münchner Wohnhauses und in den Isar-Auen. Mit unnachahmlicher Ironie zeichnet er das anrührende Porträt einer Hundeseele, deren Schwächen und Schrullen allzu menschlich scheinen. Doch bei aller Gewohnheit und Sympathie - stets bleibt dem Erzähler bewusst, wie fremd der Hund am Ende bleibt: ein treuer Freund und unheimlicher Gast zugleich.
Zusammenfassung
Thomas Mann erzählt von seinem Lieblingshund Bauschan, einem
kurzhaarigen deutschen Hühnerhund, »wenn man«,
wie er bemerkt, »diese Bezeichnung nicht allzu streng und
strikt nehmen, sondern sie mit einem Körnchen Salz versehen
will«. Er schildert seine täglichen Spaziergänge
in der Umgebung seines Münchener Wohnhauses und in den Isarauen
und beschreibt unnachahmlich und unvergeßlich das Benehmen
des Hundes, seine Reaktionen auf die Eindrücke der Umwelt
und das beredte Einverständnis mit seinem Herren.
Leseprobe
Wenn die schöne Jahreszeit ihrem Namen Ehre macht und das
Tirili der Vögel mich zeitig wecken konnte, weil ich den
vorigen Tag zur rechten Stunde beendigte, gehe ich gern schon
vor der ersten Mahlzeit und ohne Hut auf eine halbe Stunde ins
Freie, in die Allee vorm Hause oder auch in die weiteren Anlagen,
um von der jungen Morgenluft einige Züge zu tun und, bevor
die Arbeit mich hinnimmt, an den Freuden der reinen Frühe
ein wenig teilzuhaben. Auf den Stufen, welche zur Haustüre
führen, lasse ich dann einen Pfiff von zwei Tönen hören,
Grundton und tiefere Quart, so, wie die Melodie des zweiten Satzes
von Schuberts unvollendeter Sinfonie beginnt, - ein Signal, das
etwa als die Vertonung eines zweisilbigen Rufnamens gelten kann.
Schon im nächsten Augenblick, während ich gegen die
Gartenpforte weitergehe, wird in der Ferne, kaum hörbar zuerst,
doch rasch sich nähernd und verdeutlichend, ein feines Klingeln
laut, wie es entstehen mag, wenn eine Polizeimarke gegen den Metallbeschlag
eines Halsbandes schlägt; und wenn ich mich umwende, sehe
ich. Bauschan in vollem Lauf um die rückwärtige Hausecke
biegen und gerade auf mich zustürzen, als plane er, mich
über den Haufen zu rennen. Vor Anstrengung schürzt
er die Unterlippe ein wenig, so daß zwei, drei seiner unteren
Vorderzähne entblößt sind und prächtig weiß
in der frühen Sonne blitzen.
Autoreninfo
Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck geboren und wohnte seit 1894 in München. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an der Universität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August 1955. 1929 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.