Produktbeschreibung
»Helen war häßlich, niemand liebte sie. Ihr Vater
hatte sie nie geliebt, die Mutter hatte sich von ihr distanziert
und Douglas, der Bruder, begehrte nichts weiter als ihr Geld.
Sie war reich. Reich und allein. Und wohl auch ein wenig absonderlich,
wie die Leute sagten. Ohne eine Spur von Herzlichkeit und Wärme.
Und trotzdem hatte Paul Blackshear, ihr Vermögensverwalter,
Mitleid mit diesem spröden, charmelosen Wesen, das ihn zögernd
und ungeschickt um Hilfe anflehte. Helen fühlte, daß
jemand die Absicht hatte, sie zu zerstören. Ein Telefonanruf
ihrer ehemaligen Schulfreundin Evelyn Merrick hatte sie in panische
Angst versetzt. Wer aber ist Evelyn Merrick? Die Stimme am Telefon,
die Verwirrung stiftet, Unglück heraufbeschwört? Das
Mädchen, das sich in übelbeleumdeten Quartieren herumtreiben
einem Aktphotographen Modell steht? Ist sie identisch mit jener
Evelyn, die von der Hochzeitsreise mit Helens Bruder Douglas allein
zurückgekehrt war, "weil es keine Hochzeit war, sondern
eine Trauung"?
Mit wachsender Beklemmung verfolgt der Leser, wie sich der bedrohliche
Kreis um Helen immer enger zieht.« Die Weltwoche, Zürich
»Alfred Hitchcocks Psycho hat dagegen Wiegenliedcharakter.«
Kleine Zeitung, Graz
Kritik
"Alfred Hitchcocks Psycho hat dagegen Wiegenliedcharakter." (Kleine Zeitung)
"Margaret Millar erzählt auf hohem literarischen Niveau einen spannungsvollen, logisch konsistenten Psychothriller mit klaustrophobischem Klima. Beklemmend ist auch die entlarvende Darstellung einer Erwachsenenwelt, die mit ihrer Heuchelei und ihren Komplexen die Wahrheit verdrängt sowie zweifelhaften Idealen nacheifert." (Lexikon der Kriminalliteratur)
Leseprobe
Die Stimme war sanft, beinahe lächelnd: »Ist dort Miss
Clarvoe?«
»Ja.«
»Wissen Sie, wer spricht?«
»Nein.«
»Eine Freundin.«
»Ich habe unzählige Freundinnen«, log Miss Clarvoe.
Im Spiegel über dem Telefontischchen sah sie ihren Mund
die Lüge wiederholen, und sie freute sich darüber, während
ihr Kopf eifrig bestätigend nickte - diese Lüge ist
wahr, ja, es ist eine sehr wahre Lüge. Nur ihre Augen
wollten sich nicht überzeugen lassen. Verlegen blinzelten
sie und schauten weg.
»Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen«, sagte
die Stimme. »Trotzdem habe ich Sie immer irgendwie im Auge
behalten. Ich habe nämlich eine Kristallkugel.« »Ich
- Sie haben was?«
»Eine Kristallkugel, in der man die Zukunft sehen kann.
So eine habe ich. Alle meine alten Freunde tauchen von Zeit zu
Zeit darin auf. Heute abend waren Sie drin.«
»Ich.« Helen Clarvoe wandte sich wieder dem Spiegel
zu. Er war rund wie eine Kristallkugel, und ihr Gesicht tauchte
darin auf; eine alte Freundin, vertraut, doch ungeliebt. Der
Mund dünn und verkniffen, als wäre die Haut nur über
einen Knochen gespannt. Das braune Haar war kurz geschnitten
wie bei einem Mann und ließ die Ohren frei...
Autoreninfo
Margaret Millar - Kanadierin aus deutsch-englischer Einwandererfamilie - studierte klassische Philologie, Archäologie und Psychologie, brachte es als Pianistin zum Konzertdiplom, arbeitete in Hollywood und erhielt so die gediegene Ausbildung zum Verfassen von Psycho-Thrillern. Ausgezeichnet mit dem Edgar-Allan-Poe-Preis und gefeiert als witzigste Analytikerin des American Way of Life and Death.