Produktbeschreibung
»Ein brillant geschriebenes Buch, das vor Anekdoten aus allen Nähten platzt und in seiner weisen Komik doch ein Buch der Wehmut darstellt.« Otto F. Beer im >Tagesspiegel<
Friedrich Torberg war wohl einer der letzten, der aus eigener Erinnerung die Atmosphäre des ehemals habsburgischen Kulturkreises und die Welt der Boheme in Budapest, Prag und Wien so intensiv zu beschwören vermochte. Franz Molnßr, Egon Erwin Kisch, Anton Kuh, Egon Friedell und Alfred Polgar - hier werden sie alle wieder lebendig. Aber mehr noch kommen die Unbekannten zu Wort: der zerstreute Religionslehrer Grün, der geistreiche Rechtsanwalt Sperber, die Redakteure des legendären >Prager Tagblatts< und natürlich die Tante Jolesch, die den Lauf der Welt auf ihre Weise kommentierte.
Zusammenfassung
Friedrich Torberg ist einer der letzten, der aus eigener Erinnerung
und gestützt auf Erzählungen älterer Freunde die
Atmosphäre des ehemals habsburgischen Kulturkreises, die
unwiederbringliche Welt des jüdischen Bürgertums und
der Boheme in Österreich, Ungarn und Prag noch einmal so
intensiv beschwören kann. Es war eine Welt der Originale
und Sonderlinge, die - wie Torberg schreibt - in unserer technokratischen
Konsumgesellschaft keinen Platz mehr hätten. Von manchen
bekannten Namen ist die Rede, von Franz Molnär, Egon Erwin
Kisch, Anton Kuh, Egon Friedell und Alfred Polgar. Aber mehr
noch kommen die Unbekannten zu Wort: der zerstreute Religionslehrer
Grün, der geistreiche Rechtsanwalt Sperber, der unhöfliche
Wirt Neugröschl, der alte Kartenspieler Schwarz, die Redakteure
des legendären "Prager Tagblatts", der rechthaberische
Onkel Hahn und natürlich die Tante Jolesch, die den Lauf
der Welt auf ihre Weise kommentierte und die so herrlich kochen
konnte. »Ein nobles, schönes, lustiges, trauriges Buch.
Eine kleine Recherche der verlorenen Zeit, das Panorama einer
gewitzten und geistesgegenwärtigen Menschlichkeit.«
(Die Zeit)
Leseprobe
Was nun die Tante Jolesch selbst betrifft, so verdanke ich die
Kenntnis ihrer Existenz - und vieler der von ihr überlieferten
Aussprüche - meiner Freundschaft mit ihrem Neffen Franz,
dem lieben, allseits verhätschelten Sprößling
einer ursprünglich aus Ungarn stammenden Industriellenfamilie,
die seit langem in einer der deutschen Sprachinseln Mährens
ansässig und zu beträchtlichem Wohlstand gelangt war.
Franz, bildhübsch und mit einer starken Begabung zum Nichtstun
ausgestattet (das er nur dem Bridgespiel und der Jagd zuliebe
aufgab), muß um mindestens zwölf Jahre älter gewesen
sein als ich, denn er hatte bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen
und wurde von seinen gleichaltrigen Freunden auch späterhin
noch scherzhaft als »Seiner Majestät schönster
Leutnant« bezeichnet. Ich war wiederholt auf dem mährischen
Besitz seiner Familie zu Gast - »Ein Narr, wer kein Gut in
Mähren hat«, hieß es damals in einem zynischselbstironischen
Diktum jener Kreise - und blieb ihm bis zu seinem arg verfrühten
Tod herzlich verbunden. Die einrückenden Deutschen hatten
ihn 1939 als Juden eingesperrt, die befreiten Tschechen hatten
ihn 1945 als Deutschen ausgewiesen. Man könnte sagen, daß
sich auf seinem Rücken die übergangslose Umwandlung
des Davidsterns in ein Hakenkreuz vollzog. Er verbrachte dann
noch einige Zeit in Wien und übersiedelte schließlich
nach Chile, wo er bald darauf an den Folgen seiner KZ-Haft gestorben
ist. Die Tante Jolesch hat das alles nicht mehr erlebt.
Franz war ihr Lieblingsneffe, und es fügt sich gut, daß
einer ihrer markantesten Aussprüche mit ihm zusammenhängt
- mit ihm und mit zwei unter Juden tief verwurzelten Gewohnheiten.
Die eine besteht in der Anrufung des göttlichen Wohlwollens
für einen demnächst auszuführenden Plan, etwa für
eine Reise, die man »so Gott will« morgen antreten und
von der man nächste Woche »mit Gottes Hilfe« zurückkehren
wird, außer es käme »Gott behüte« etwas
dazwischen, vielleicht gar ein Unglück, und »Gott soll
einen davor schützen«, daß dies geschehe.
Autoreninfo
Friedrich Torberg
am 16. September 1908 in Wien geboren und am 10. November 1979
in seiner Geburtsstadt gestorben, studierte in Prag und Wien und
begann nach ersten Buchveröffentlichungen Theaterkritiken
zu schreiben. 1938 emigrierte er in die Schweiz und flüchtete
1940 aus Frankreich nach Amerika. 1951 Rückkehr nach Wien.
Bis 1965 gab er die kulturpolitische Zeitschrift Forum,
heraus.