Produktbeschreibung
Sprachen: Deutsch, Russisch
Leseprobe
I
Es hieß, auf der Strandpromenade sei ein neues Gesicht
aufgetaucht: eine Dame mit einem Hündchen. Dmitrij
Dmitritsch Gurow, der schon zwei Wochen in Jalta verbracht und sich hier eingelebt hatte, begann sich ebenfalls für Neuankömmlinge zu interessieren. Von seinem
Platz im Pavillon bei Vernet sah er eine junge Dame,
eine kleine Blondine mit einem Barett, die Uferstraße
entlanggehen; hinter ihr her lief ein weißer Spitz.
Und dann begegnete er ihr täglich mehrmals im Stadtpark und in den Grünanlagen. Auf ihren Spaziergängen
war sie allein, immer in demselben Barett und mit dem
weißen Spitz; niemand wußte, wer sie war, und so nannte
man sie einfach: die Dame mit dem Hündchen.
»Wenn sie hier ohne ihren Mann und ohne Bekannte
ist«, überlegte Gurow, »wäre es gar nicht übel, sie kennenzulernen.«
Er war noch keine vierzig, hatte aber schon eine zwölfjährige Tochter und zwei Söhne, die ins Gymnasium gingen. Man hatte ihn früh verheiratet, als er noch Student
im zweiten Studienjahr war, und jetzt erschien ihm seine
Frau um die Hälfte älter als er. Sie war von hohem
Wuchs, hatte dunkle Augenbrauen und eine gerade Haltung, war würdevoll und untadelig und, wie sie sich selbst
charakterisierte: eine denkende Frau. Sie las viel, vermied in Briefen das veraltete harte Zeichen und nannte
ihren Mann nicht Dmitrij, sondern Dimitrij; doch in seinen Augen war es nicht weit her mit ihr, er fand sie engstirnig und unelegant, er fürchtete sie und war nicht gern
zu Hause. Längst schon und oft war er ihr untreu geworden,
was wohl der Grund dafür war, daß er sich über die...
Autoreninfo
Anton Tschechow (1860 - 1904) wurde im südrussischen Taganrog als Sohn eines Kaufmanns geboren, studierte in Moskau Medizin, war Arzt und schrieb ab 1880 für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (bis 1886 unter dem Pseudonym Tschechonte) zahlreiche Erzählungen und eine Reihe von kleinen Romanen.