Produktbeschreibung
Der Erzähler erfindet (»Ich stelle mir vor:«) mögliche Lebensgeschichten dreier Personen: Da ist Gantenbein, der einen Blinden spielt, um so genauer seine Umwelt beobachten zu können. Oder da ist Enderlin, der immer »ein fremder Herr« bleibt. Auch Svoboda muß die Erfahrung machen, daß Liebe und Ehe endlich sind. Übrig im Spiel der erdichteten Rollen bleibt: Gantenbein.
Zusammenfassung
Der Verfasser von Stiller (1954) und Homo Faber (1957)
hat in seinem dritten großen Roman Mein Name sei Gantenbein
(1964) sein zentrales Thema, das Problem der Identität,
die Spannung des Ichs zum anderen, nicht verlassen. Radikaler
erfaßt, entfaltet es sich heiterer, reicher als bisher.
Der Komplexität des Themas entspricht die Form. Der Roman
spiegelt die Verschiebung von Realität und Phantasie im Bannkreis
einer Situation, die die erprobte Rolle eines Menschen in Frage
stellt, sein Ich freilegt. Die Geschichten des Buches sind nicht
Geschichten im üblichen Sinn, es sind Geschichten wie Kleider,
die man probiert. Es sind Rollen, Lebensrollen, Lebensmuster,
die die Wirklichkeit erraten haben.
Leseprobe
Die dabei gewesen sind, die letzten, die ihn noch gesprochen haben,
Bekannte durch Zufall, sagen, daß er an dem Abend nicht
anders war als sonst, munter, nicht übermütig. Man speiste
reizvoll, aber nicht üppig; geredet wurde viel, Palaver mit
Niveau, wobei er wenigstens zu Anfang, scheint es, nicht stiller
war als die andern. Jemand will sich gewundert haben über
seinen müden Blick, wenn er zuhörte; dann wieder beteiligte
er sich, um vorhanden zu sein, witzig, also nicht anders als man
ihn kannte. Später ging die ganze Gruppe noch in eine Bar,
wo man vorerst in Mänteln stand, später sich zu andern
setzte, die ihn nicht kannten; vielleicht wurde er deswegen still.
Er bestellte nur noch Kaffee. Als er später aus der Toilette
zurückkam, sagen sie, war er bleich, aber eigentlich bemerkte
man es erst, als er, ohne sich nochmals zu setzen, um Entschuldigung
bat, er möchte nachhaus, fühle sich plötzlich nicht
besonders. Er machte es kurz, ohne Handschlag, leichthin, um ihr
Gespräch nicht zu unterbrechen. Jemand sagte noch: So warte
doch, wir werden hier auch nicht alt! Er war aber, sagen sie,
nicht zu halten, und als die Garderobiere endlich seinen Mantel
brachte, zog er diesen nicht an, sondern nahm ihn nur auf den
Arm, als habe er Eile. Alle sagen, er habe nicht viel getrunken,
und sie waren nicht sicher, ob er sich wirklich unwohl fühlte,
ob das nicht ein Vorwand war; er lächelte. Vielleicht hatte
er noch eine andere Verabredung. Die Damen foppten ihn schmeichelhaft;
er schien auf die Verdächtigung einzugehen, aber ohne noch
ein Wort zu sagen. Man mußte ihn gehen lassen. Es war noch
nicht einmal Mitternacht. Als man dann seine vergessene Pfeife
auf dem Tisch bemerkte, war es zu spät, um ihm nachzulaufen
... Der Tod muß eingetreten sein, kurz nachdem er sich in
seinen Wagen gesetzt hatte; das Standlicht war eingeschaltet,
ebenso der Motor, der Winker blinkte und blinkte, als wollte er
jeden Augenblick in die Straße ausfahren. Er saß aufrecht,
Kopf nach hinten, beide Hände am auf gerissenen Kragen, als
ein Polizist kam, um nachzusehen, warum der Wagen mit dem laufenden
Motor nicht ausfuhr. ...
Autoreninfo
Frisch, MaxMax Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich geboren und starb am 4. April 1991 an den Folgen eines Krebsleidens in seiner Wohnung in Zürich. 1930 begann er sein Germanistik-Studium an der Universität Zürich, das er jedoch 1933 nach dem Tod seines Vaters (1932) aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Er arbeitete als Korrespondent für die Neue Zürcher Zeitung.Seine erste Buchveröffentlichung Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt erschien 1934 in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart. 1950 erschien Das Tagebuch 1946-1949 als erstes Werk Frischs im neugegründeten Suhrkamp Verlag. Zahlreiche weitere Publikationen folgten.