Produktbeschreibung
Clarissa Dalloway führt ein großes Haus im vornehmen Londoner Stadtteil
Westminster. Eine ihrer glänzenden Soireen soll an einem Junitag des Jahres
1923 stattfinden. Der Ablauf dieses einen Tages bildet die Gegenwart des
Romans, in die Clarissa durch die Stundenschläge des Big Ben immer wieder
zurückgeholt wird. Denn die Ereignisse - Besorgungen, Vorbereitungen, Besuche
und schließlich die Abendgesellschaft, die allen konventionellen Erwartungen
entspricht - lösen Assoziationen aus, die sie zugleich in die Vergangenheit
und in die Wirklichkeit ihres inneren Bewußtseins führen, die eigentliche
Welt dieses Romans. In langen Erinnerungs- und Gedankenketten wird sie
sich nach und nach der Brüche zwischen ihrer äußeren und ihrer inneren
Existenz gewahr.
Leseprobe
Mrs Dalloway sagte, sie wolle die Blumen selber kaufen. Denn
Lucy hatte genug zu bestellen. Die Türen würden aus
den Angeln gehängt werden; Rumpelmayers Leute kämen.
Und dann, dachte Clarissa Dalloway, was für ein Morgen -
frisch, wie geschaffen für Kinder am Strand.
Was für ein Vergnügen! Was für ein Sprung! Denn
so war es ihr immer vorgekommen, wenn sie, mit einem leichten
Quietschen der Angeln, das sie jetzt hören konnte, die Fenstertür
zum Garten aufgerissen hatte und in Bourton ins Freie gesprungen
war. Wie frisch, wie ruhig, stiller natürlich als jetzt,
die Luft am frühen Morgen war wie der Klaps einer Welle-
der Kuß einer Welle; eiskalt und schneidend und doch (für
ein Mädchen von achtzehn, das sie damals war) feierlich,
mit dem Gefühl, das sie an der offenen Tür stehend hatte,
etwas Bestürzendes werde sich gleich ereignen; auf die Blumen
blickend, auf die Bäume mit dem entweichenden Dunst und die
steigenden und sinkenden Krähen, stehend und blickend, bis
Peter Walsh sagte "zum Grübeln ins Gemüse"
- war es das? - "Menschen sind mir lieber als Blumenkohl"
- war es das? Er mußte es eines Morgens beim Frühstück
gesagt haben, als sie auf die Terrasse getreten war - Peter Walsh.
Er würde dieser Tage aus Indien zurückkehren, im Juni
oder Juli, sie hatte vergessen, wann, denn seine Briefe waren
schrecklich fade- seine Bemerkungen waren es, an die man sich
erinnerte- seine Augen, sein Taschenmesser, sein Lächeln,
seine Verdrossenheit und, wenn abertausend Dinge längst entschwunden
waren - wie seltsam war das! Ein paar Bemerkungen wie die über
Kohlköpfe.
Sie stockte ein wenig am Kantstein, bis Durtnalls Lieferwagen
vorbeigefahren war. Eine bezaubernde Frau, meinte Scrope Purvis
von ihr (er kannte sie, wie man Leute kennt, die lieben einem
in Westminster wohnen); etwas von einem Vogel an ihr, einem Eichelhäher,
blau-grün, leicht, lebhaft, obwohl sie über fünfzig
und seit ihrer Krankheit sehr weiß geworden war. Da war
sie, aufgebaumt, ganz ohne ihr, zu sehen, aufs Hinübergehen
wartend, sehr aufrecht...
Autoreninfo
Virginia Woolf (1882-1941) bildete bereits in jungen Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder den Mittelpunkt der intellektuellen "Bloomsbury Group". Ihre Romane zählen zu den Meilensteinen moderner Literatur. Zugleich war sie eine der einflußreichsten Essayistinnen ihrer Zeit. Aus Furcht, geistig zu umnachten, nahm sie sich nach einem Bombenangriff das Leben.